Auf Amon Göths Spuren im einstigen KZ Plaszow

Ein völlig surrealer Ort: Auf den Spuren von Amon Göth führte mich ein beklemmender Ausflug in das ehemalige Konzentrationslager Plaszow. Während sich in Auschwitz und Birkenau die Menschen drängen und rund eine Million Besucher im Jahr kommen, um sich zu erinnern, ist das Areal des einstigen KZ Plaszow völlig verwaist, trotz seiner Lage mitten in Krakau. Tausende Menschen wurden hier von den Nazis ermordet, und das ist noch keine 80 Jahre her. Lange Zeit lag dieser historische Ort brach und wurde von der Natur zurück erobert - es wurde zum Naherholungsgebiet und zur grünen Lunge der Stadt. Inzwischen hat das Historische Museum Krakau immerhin einen kleinen Erinnerungsort geschaffen.


Plaszow: Ein Konzentrationslager mitten in Krakau

Einst mussten die Menschen hier schuften, wurden zur Arbeit gezwungen, kaum mit Nahrung versorgt und ohne Wasser schlugen sie Steine und bauten sich ihr eigenes Todeslager: das KZ Plaszow in Krakau in Polen.

 

1940 errichteten die Nazis Plaszow als Zwangsarbeitslager, vor allem Polen und Sowjets mussten hier harte körperliche Arbeit verrichten, ein Jahr später brachte man auch Juden hierhin. Auf den Leichen von jüdischen Mitbürgern mussten sie leben, denn Plaszow wurde auf einem jüdischen Friedhof errichtet.

 

1943 wurde das KZ Plaszow erweitert, als das Krakauer Ghetto geräumt wurde. Alle arbeitsfähigen Juden wurden hierhin verfrachtet. In der Höchstphase lebten 12.000 Menschen gleichzeitig hier, rund 8000 starben auf dem Areal selbst.

 

Plaszow, das 1944 zu einem Konzentrationslager wurde und auch eine eigene Gaskammer bekommen sollte, wurde in Deutschland vor allem durch Steven Spielbergs Film "Schindlers Liste" bekannt, denn einige der Angestellten von Schindler lebten im KZ Plaszow - und waren dort auch den Launen und der Willkür von Lagerkommandant Amon Göth ausgesetzt.

KZ Plaszow: Wo SS-Mann Amon Göth sein Unwesen trieb

Die Villa von Amon Göth, sie steht noch. In der Heltmana-Straße 22, umgeben von anderen Wohnhäusern. Nach einer Voranmeldung kann man hier Touren buchen, denn das original Mobiliar ist noch erhalten.

 

Heute erinnert zumindest von außen nichts mehr an die furchtbaren Szenen, die sich einst hier abspielten, wenn Amon Göth morgens aufstand und aus Spaß und Lust mit seinem Gewehr vom Balkon aus auf die inhaftierten Menschen schoss - oder seine beiden Hunde auf die halb verhungerten KZ-Häftlinge hetzte, um diese zu zerfleischen.

 

Es ist ein merkwürdiges Gefühl, hier zu stehen, vor einem renovierten und in verschiedenen Rosa-Tönen getünchten Haus. Es gibt keine Erinnerungstafel oder ähnliches. Nachbarn arbeiten im Garten, auch sie haben einen Blick direkt auf das Gelände des einstigen Konzentrationslagers - es scheint sie nicht zu stören.

KZ Plaszow: 18 Informationstafeln erinnern an das Grauen

Etwas unterhalb der einstigen Göth-Villa steht ein weiteres Relikt aus der Nazi-Zeit: Das Graue Haus. Es war ein Verwaltungsgebäude der Nazis, die in Plaszow arbeiteten - gleichzeitig wurden im Keller Menschen auf engstem Raum und ohne Lebensmittel oder Wasser inhaftiert.

 

Das Graue Haus ist ein guter Ort, um das Areal zu ergründen. Direkt am Haus findet sich eine Tafel mit einer Übersichtskarte und den 18 Punkten, an denen weitere Tafeln montiert sind. Über einen QR-Code lässt sich mehr zu den Orten erfahren, allerdings sind auch immer Bilder und Texte auf Polnisch und Englisch abgebildet.

 

Wirklich verlaufen kann man sich heute nicht mehr, da es nur wenige gemachte Wege gibt. Erst vor kurzem hat das Historische Museum begonnen, das Areal aufzuwerten und zu einem Ort der Erinnerung zu machen. Zuvor war es komplett verwildert, Überbleibsel aus der Zeit des Nationalsozialismus mischten sich mit Resten von Spielbergs Filmset - eine wirkliche Geisterstadt.

 

Ohnehin ist Plaszow surreal. Man liest, hier starben so viele Menschen, wurden ausgebeutet, drangsaliert, misshandelt. Aber das Auge sieht: grün, grün, grün. Eine Oase mitten in der Stadt.

 

Einige Krakauer kommen zum Sonnen hierhin, man sieht Männer mit nacktem Oberkörper (was in Auschwitz-Birkenau verboten ist). An den Eingängen sind zwar Schilder, dass man Respekt vor den Opfern dieses Ortes zeigen solle, aber viele haben sich über die Jahre offenbar an die parkähnliche Anlage gewöhnt und picknicken hier.

 

Im Gegensatz zu früheren Berichten habe ich allerdings tatsächlich wenig Müll gefunden. Ich hatte den Eindruck, dass es für viele einfach nur ein Durchgangsort ist, wobei ich insgesamt nur wenige Menschen gesehen habe (und davon nur zwei, die sich für den Ort als solchen interessiert haben).

 


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KZ Plaszow: Ein Ort des Grauens aus dem Holocaust

Doch immer wieder finden sich auch in Plaszow die Momente, wo einem einfach nur übel wird, wo man heulen möchte, verzweifelt ist und erstarrt. So gibt es beispielsweise ein Grab mit einem großen Kreuz, gewidmet einigen Mutigen, die aufgestanden sind.

 

An dem Ort des Grabes kam es zu schlimmen Verbrechen. Weil ein Häftling geflohen war, wurden zehn Mithäftlinge zum Tode verurteilt, darunter auch eine Mutter mit ihrem siebenjährigen Kind. Eine Augenzeugin von damals wird auf einer Erinnerungstafel zitiert. Mir stockte der Atem, als ich es las.

 

Die Erinnerungstafeln sind zwar rar, aber dennoch sehr ausdrucksstark. Sie bestehen meistens aus einem großen Bild, einem Zitat eines ehemaligen Häftlings sowie einer Erklärung, was an dieser Stelle passierte, etwa was hier produziert wurde.

 

Vom Grauen Haus aus gesehen am anderen Ende des Areals, dicht an einem Industriegebiet, wo der ganz normale Krakauer Alltag sich abbildet, steht das große Mahnmal. Sieben Meter ist es hoch und thront seit 1964 über der Stadt, mit Blick auf das Industriegebiet. "Denkmal für die Opfer des Faschismus in Krakau" ist der Titel des Denkmals nach Entwürfen von Witold  Cęckiewic. Auch einige andere Denkmale, etwa zur Erinnerung an die ermordeten Juden und die ermordeten Polen, finden sich.

 

Insgesamt sind kaum noch Reste des Lagers Plaszow erhalten. Lediglich in der Nähe des Grauen Hauses, an Tafel 3, finden sich einige alte Steine. Sie stammen von einer Gebetshalle, die kurz vor der Besetzung durch die Nazis von den Juden Krakaus für ihren Friedhof errichtet wurde. Mit Freude, heißt es auf der Tafel, hätten die Nazis die Halle vor den Augen der jüdischen Insassen zerstört, nur um diese erneut zu quälen.

Museum in Schindlers Fabrik erzählt über KZ Plaszow

Wer sich mehr über das Arbeits- und Konzentrationslager informieren möchte, muss an zwei andere, aber nicht weit entfernt gelegene Orte in Krakau. In der Dauerausstellung

"Krakow Under Nazi Occupation 1939-1945" in der einstigen Schindler Fabrik sind dem Lager einige Bereiche gewidmet. So wird etwa verglichen, wie die Juden, die bei Schindler arbeiteten, in ihrem eigenen Lager lebten und wie die in Plaszow lebten - obwohl Schindlers Lager eine Außenstelle war. 

 

Auch in der Apteka pod Orlem, die einst mitten im Krakauer Ghetto lag und für die dort lebende Bevölkerung mehr als nur medizinische Versorgung war, geht es um das Leben in Plaszow nach der Räumung des Ghettos. Dort ist beispielsweise auch Schmuck ausgestellt, den Juden vor ihrer Inhaftierung an den Apothekenbesitzer Tadeusz Pankiewicz gaben, damit er ihn aufbewahrt, bis sie wieder kommen. Auch zahlreiche Fotos sind hier zu sehen, die den Holocaust überdauerten.

 

Beide Orte habe ich in meinem Text über das Jüdische Leben in Krakau aufgegriffen.

KZ Plaszow: Eintritt und Anreise - Infos für deinen Besuch

Das Areal des KZ Plaszow ist frei zugänglich, es kostet keinen Eintritt. Wer hier her kommt, sollte allerdings schon einiges an Vorwissen mitbringen, da es am Ort selbst nur wenige Informationen gibt. Da Plaszow heute auf dem Gebiet der Stadt Krakau liegt, ist das Areal einfach zu erreichen - auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Wir waren mit dem Auto dort und haben in der Nähe des Grauen Hauses geparkt.

 

Es mag pathetisch klingen. Aber bei all der Beklemmung, die ich auf dem rund anderthalb stündigen Spaziergang durch Plaszow hatte, hatte ich auch diesen einen Gedanken, der nicht wieder verging: Am Ende ist es ein Sieg der Menschen, denn sie leben weiter, in jedem Grashalm, jedem Strauch, jedem Baum, jeder Blüte. Und davon gibt es in Plaszow wahrlich genug.


Hast du schon einmal ein ehemaliges Konzentrationslager besucht? Wie war diese Erfahrung für dich?

Du möchtest mir etwas zu dem Artikel sagen? Du hast eigene Gedanken und Anregungen, oder auch Kritik, die du einbringen möchtest? Ich freue mich über deinen Kommentar. 


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Kommentare: 12
  • #1

    Ina (Freitag, 02 Oktober 2020 16:58)

    I was there before the Red House was reformed, 2008 or 2009. It's an otherwise very nice area, so the house was easy to recognize. The plains were so peaceful, and with a little wind like a whisper in the trees from all those who had died there. I'm not a Christian, but sometimes ... It all took place only 15 years before I was born .. �https://rb.gy/ga09ca

  • #2

    Jaimees Welt (Samstag, 03 Oktober 2020 11:33)

    Ich kenne diesen "Menschen" aus Schindlers Liste und war einfach nur erschüttert, wie bestialisch er war! Wie willkürlich er gemordet hat! Zum Glück hat er dann sein mehr oder weniger gerechtes Ende bekommen! Ich glaube, so sehr ich mich auch für Geschichte interessiere, würde ich solch einen Ort nicht aufsuchen wollen! Das geht mir alles zu nah!

    Liebe Grüße
    Jana

  • #3

    Alice Christina (Samstag, 03 Oktober 2020 11:35)

    Ein sehr interessanter und wichtiger Beitrag. Ich finde es unglaublich wichtig, dass es Erinnerungen an diese Zeit gibt, damit es nicht in Vergessenheit gerät. Auch wenn mich das beim Lesen richtig traurig macht und ich mir das kaum vorstellen kann, in was für eine Zeit manche Menschen leider leben mussten.

    Liebe Grüße
    Alice Christina von www.alicechristina.com

  • #4

    Wioleta Schmidt (Samstag, 03 Oktober 2020 11:36)

    Obwohl ich als Polin verwandte in Krakau habe und auch mehrfach dort war, habe ich diesen Ort nie besucht. Viel eher war ich es mir gar nicht bewusst, dass es diesen Ort gibt und kann mir auch kaum vorstellen, wo er mitten in der Stadt sein soll.
    Es war auf jeden Fall total interessant, all das zu erfahren.
    Ganz liebe Grüße
    Wioleta

  • #5

    David Schmid (Samstag, 03 Oktober 2020 11:37)

    Ich finde es sehr wichtig, dass die Erinnerung an diese dunkle Zeit aufrechterhalten wird. Die Zeitzeugen sterben ja langsam aus. Umso dringender sind Beiträge wie deiner, damit sich solche Ereignisse nie mehr wiederholen können. Dieses KZ war mir nicht mehr in Erinnerung, obwohl ich Spielbergs Film gesehen habe.
    David von https://www.photoschmid.com/

  • #6

    Tina (Samstag, 03 Oktober 2020 11:39)

    Ein gut geschriebener und bebildeter Bericht. Ich kannte das KZ Plaszow noch gar nicht. Hoffentlich ist das, was dort geschehen ist eine Mahnung, dass Menschen nicht andere Menschen grausam behandeln und umbringen, nur, weil sie Juden sind. Der Bericht von dem kleinen Jungen und seiner Mutter sollte um die Welt gehen, er hat mir die Tränen in die Augen getrieben. Wie gnädig, dass der kleine Junge nicht auch noch sehen musste, wie seine Mutter stirbt... Wer bin ich, dass ich mich als Soldat zwingen lasse, so etwas zu tun? Wie lebt es sich weiter in dem Bewusstsein, Massenmorde begangen zu haben? liebe Grüße Bettina

  • #7

    Anja (Samstag, 03 Oktober 2020 11:40)

    Danke für den Einblick. Ich habe das KZ tatsächlich bewusst nicht in Erinnerung und kannte nur die beiden anderen vom Namen her. Außerdem haben wir während der Schulzeit das KZ in Dachau besucht und es war schon ein sehr komisches und bewegendes Gefühl.
    Liebe Grüße
    Anja von Castlemaker.de

  • #8

    Fio (Samstag, 03 Oktober 2020 11:46)

    Das zu lesen, macht einen wirklich traurig. Und es ist manchmal auch so unvorstellbar, was damals passiert ist. Auch dieses renivierte Haus ist sehr komisch. Sollte es nicht nach möglichkeit auch alt aussehen? Ich finde es wirkt wie ein normales Wohnhaus und nicht wie eine Art Museum.

    Liebe Grüße
    Fio

  • #9

    Alisia Clark (Samstag, 03 Oktober 2020 12:19)

    Hallöchen,
    da liegt mir gleich ein schwerer Stein am Herzen, wenn ich das alles lese. Das erste was ich dachte, als ich das rosa Haus gesehen habe, ist, wie schön es aussieht aber gleich nachdem ich gelesen habe was es symbolisiert und darstellt und vor allem was für grauenhafte Taten da begangen wurden, dreht es mir den Magen um ....

    Liebe Grüße

    Alisia

  • #10

    Sandra Mickler Autorin (Samstag, 03 Oktober 2020 12:20)

    Hey du.
    Als ich das graue Haus sah, musste ich schlucken. Was dagegen irgendwie niedlich war, ist die Villa von Göth. Die gefällt mir sehr gut. Und zudem finde ich es klasse, dass du beide Seiten aufzeigst. Das gehört dazu.

    Liebste Grüße,
    Sandra

  • #11

    Gedanken Vielfalt (Samstag, 03 Oktober 2020 12:21)

    Huhu,

    eigentlich kenne ich ja fast nur tolle Ausflüge/Beiträge von dir. Dieser hier regt zum Nachdenken an und gehört wohl zu der Reise dazu. Ich finde es wichtig alle Facetten eines Landes/Stadt aufzuzeigen und das gelingt dir immer wieder.

    LG
    Steffi

  • #12

    Bert Spoelstra (Montag, 19 Februar 2024 07:37)

    Gutentag. Entschuldigung für mein schlechtes Deutsch...
    Als Reiseführer war ich viele malen in die Lager Auschwitz, die Fabrik von Schindler und in ehemailges Gettho von Krakau. Natürlich besuchten wir dan auch Plaszow.
    Die ehemaligen Villa von Amon Göth habe ich noch gesehen als sie schon viele Jahre lang unbewohnt war. Jetzt ist das eine schöne Wohnung mit übele Geschichte. Nur in eine Sache stimmt nicht was du schreibts: wohl hat Amon Göth aus seinem Haus auf Gefangenen geschossen, aber das waren arme Menschen die in der Nähe seiner Wohnung Arbeit machten (Strassenbau oder dergleiche)
    Aus seiner Wohung ist es nämlich NICHT möglich in das Lager zu schauen.
    Die Mögligkeit gab es wohl aus das Graue Haus, wo er sein Buro hatte. Und von dort aus, schoss er nach belieben auf die Gefangenen. Spielberg hat die scene im Wohnung Göth sich abspielen lassen, aber das stimmt also nicht.
    Trotzdem hast Du eine interessante Uberblick über die Geschichte des Lagers Plaszow geschrieben, wofür meine Anerkennung!
    Freundliche Grüsse,
    Bert