Ghetto, Schindler, Kazimierz: Jüdisches Leben in Krakau

Das einstige jüdische Viertel Kazimierz mit sechs Synagogen und jüdischen Restaurants, der Stadtteil Podgórze, in dem die Nazis das Krakauer Ghetto errichteten, und das Gelände des einstigen Konzentrationslagers Plaszow sind Überreste des jüdischen Lebens, das einst Krakau prägte. Ob bei einem Besuch in Schindlers Fabrik, wo die Gräuel gegen die jüdische Bevölkerung unter der Nazi-Okkupation ausgestellt sind, im Museum der einstigen Ghetto-Apotheke Pod Orlem, bei einem Besuch der Synagogen oder einfach bei einem Streifzug durch Kazimierz - Geschichte und Erinnerung sind allgegenwärtig.


Krakau Sehenswürdigkeiten: Das jüdische Viertel Kazimierz

Tempel-Synagoge

Das historische jüdische Viertel von Krakau in Polen ist Kazimierz, das im 14. Jahrhundert als eigene Stadt gegründet wurde. Obwohl die jüdischen Bewohner zur Zeit der NS-Okkupation ins benachbarte Podgórze vertrieben wurden, sind einige Einrichtungen und Erinnerungen an diese Zeit geblieben. Kazimierz und das Ghetto in Venedig zählen zu den am besten erhaltenen jüdischen Stadtvierteln in ganz Europa.

 

Nicht nur die jüdische Bevölkerung hat sich das Viertel in Krakau inzwischen wieder teilweise zurückerobert, Kazimierz ist der Anlaufpunkt für die Kreativszene der Stadt. Hier finden sich kleine, spezielle Läden, Galerien und Vintage-Boutiquen. Außerdem natürlich Bars und Kneipen.

 

Das war nicht immer so, denn nach dem Zweiten Weltkrieg hat es eine ganze Weile gedauert, bis Kazimierz, nach dem einstigen König Kasimir dem Großen benannt, wieder zum Leben erwacht ist – das passierte eigentlich erst, als Steven Spielberg seinen Film „Schindlers Liste“ dort drehte.

 

Nach dem Krieg kehrten zunächst 6500 Überlebende nach Krakau zurück, doch die Juden waren innerhalb der Bevölkerung unbeliebt und wurden durch Anschläge und Attentate vertrieben. Heute zählt die jüdische Gemeinde noch rund 150 Mitglieder.

 

Rund um den Marktplatz von Kazimierz pulsiert das Leben: Hier reihen sich viele Restaurants, Cafés und Bars aneinander, viele tragen wieder jüdische Namen und servieren jüdische Speisen. Direkt am Marktplatz findet sich auch ein Denkmal, das an die 65.000 polnischen Juden und ihre Qualen im Holocaust erinnert.

 

In der Josef-Straße sind inzwischen zahlreiche Kunstgalerien und Geschäfte eingezogen, in jene Häuser, die einst Juden gehörten und die aufwendig saniert wurden. Am Nowy-Platz gibt es sonntags einen Flohmarkt und werktags Antiquitäten und Trödel.

 

An vielen Fassaden finden sich weitere Spuren des jüdischen Lebens, durch beispielsweise Inschriften oder Davidsterne.


Geschichte in Krakau: Die Synagogen

Alte Synagoge

Besonders interessant sind für Krakau-Touristen auch die Synagogen: Sechs haben den Holocaust und die Nazi-Zeit überstanden. Sie können auch besichtigt werden. Die Alte Synagoge stammt aus dem 15. Jahrhundert, hier ist inzwischen das Museum für Stadtgeschichte Krakau untergebracht, genauer gesagt der jüdische Teil der Geschichte.

 

Die Remuh-Synagoge, erbaut im 16. Jahrhundert, dient heute noch als Gebetsstädte für die jüdische Gemeinde. Ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert stammt die Hohe Synagoge, ein Jahrhundert später wurden die Isaak-Synagoge und die Kupa-Synagoge erbaut. Wenn ihr die Synagogen besichtigen wollt, denkt an den Schabat – freitagsnachmittags bis sonntagsmorgens ist Ruhezeit im Judentum. Der Alte Friedhof ist ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert und damit der älteste von Krakau und einer der ältesten in Europa. Er dient bisweilen als Pilgerstätte von Juden, da hier der Rabbi Moses Isserles begraben liegt. Die Popper-Synagoge aus dem 17. Jahrhundert dient heute als Kulturhaus.

 

Die Tempel-Synagoge ist erst im 19. Jahrhundert errichtet worden und gehörte zu liberalen Vertreten des Judentums. Auch Betshäuser und jüdische Reinigungsbäder sind noch erhalten, etwa entlang der Ulica Szeroka, die einst das Zentrum des jüdischen Handels und Lebens war. Im jüdischen Kulturzentrum wird beispielsweise traditionelle Musik gespielt.


Krakau in der NS-Zeit: Besuch in Schindlers Fabrik

Das Gebäude, in dem Schindler einst rund 1200 Juden vor dem Holocaust und dem Tod bewahrt hat, in dem er sie in seiner Emaillenfabrik beschäftigt hat, ist teilweise noch erhalten. Die Fabrik selbst zwar nicht mehr, aber das dreistöckige Verwaltungsgebäude etwas außerhalb des Zentrums von Krakau. Und das dient heute als Museum - und ist nach dem Marktplatz von Krakau die wahrscheinlich eindrucksvollste Sehenswürdigkeit der Stadt.

 

Online hab ich überall gelesen, dass man unbedingt ein Ticket vorbestellen muss. Ich war deshalb ganz verzweifelt, weil ich zwei Tage vor dem geplanten Besuch keine Tickets mehr bekommen konnte. Aber die Sache ist so: Es gibt auch Tickets an der Tageskasse, das ist sehr entspannt, wenn man sich zeitig auf den Weg macht (die Anzahl ist limitiert). Man kann allerdings auch bis zu drei Tage vorher Tickets online bestellen. Drei Tage vor dem jeweiligen Datum wird das Online-System geschlossen.

Das Museum beschäftigt sich indes nicht nur mit der Person Oskar Schindler, sondern auch mit Krakau vor, während und nach der NS-Zeit. Passenderweise heißt die Dauerausstellung daher auch "Krakow under Nazi-Occupation 1939-1945".

 

In verschiedenen Räumen wird gezeigt, wie sich die Stimmung in Polen und Krakau veränderte und wie sich das auf das jüdische Leben in der Stadt auswirkte. Wie die Menschen ins Krakauer Ghetto gezwungen wurden und deportiert und ermordet wurden.

 

An vielen Stellen hat mich das- trotz Wissens um die Geschehnisse und Besuche in Konzentrationslagern - schockiert. Hin und wieder wurde mir auch richtig schlecht, etwa wenn man durch zahlreiche Nazi- und Hakenkreuz-Fahnen gehen muss und auf neue deutsche Richtlinien hingewiesen wird (was den Einmarsch der Deutschen symbolisiert).

Es gibt einige interkative Elemente, etwa eine Computer-Simulation, die zeigt, wie schnell die Deutschen vorgerückt sind in Polen, aber auch sehr emotionale Exponate, etwa Briefe von jüdischen Kindern und Erwachsenen, die aus ihrem Leben berichten.

 

Einige der geretteten Juden werden in Filmen, Interviews und Fotos vorgestellt, ebenso Oskar Schindler, der keineswegs heroisiert wird, seine anfängliche anti-jüdische Haltung wird auch thematisiert.

 

Sein Büro ist auch zu besichtigen, ebenso wie einige der Waren (Töpfe etc.), die die Fabrikarbeiter hergestellt haben. Ein Raum ist dem KZ Plaszow gewidmet, zu dem ihr unten noch etwas mehr erfahrt.

 

Der Rundgang, für den ihr drei Stunden einplanen solltet, endet wieder im Erdgeschoss. Dort sind noch einige der Maschinen ausgestellt und zudem eine Art Galerie, die noch einmal die Dimension von Schindlers Handeln zeigt.

 

Man kann natürlich auch Führungen auf verschiedenen Sprachen buchen. Ich habe die Tour ohne Führung gemacht und war am Ende auch recht dankbar, da ich viel mehr Zeit hatte. Die Führungen sind permanent an mir vorbei gezogen und es gab für die Teilnehmer kaum einen Moment, um mal durchzuatmen. Bedenkt aber generell, dass das Museum unglaublich gut besucht ist und es sich an einigen Stellen doch auch mal staut.

 

Der Eintritt kostet 21 Zloty, also keine 5 Euro (Studenten zahlen 16 Zloty) - das ist wirklich gut angelegtes Geld. Ein Ticket mit Führung kostet 44 Zloty. Mehr Informationen gibt es auch auf der Website des staatlichen Museums.


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Polen in der NS-Zeit: Das einstige Krakauer Ghetto

Im Krakauer Ghetto lebten von 1941 bis zu seiner Auflösung 1943 zeitgleich bisweilen 15.000 Menschen, obwohl das Gebiet nur für 3000 Menschen ausgelegt war. Das Ghetto lag im Krakauer Stadtteil Podgórze, obwohl das eigentliche jüdische Viertel bis dahin Kazimierz war.

 

Wenngleich das Krakauer Ghetto nicht so berühmt ist wie das in Warschau, spielten sich auch hier furchtbare Szenen ab. Denn das Ghetto war auch nur eine heruntergekommene Massenunterbringung auf dem Weg in die Konzentrationslager.

 

Das Ghetto war durch eine Mauer abgeriegelt, Überreste davon finden sich auch heute noch. Sie sind an der Straße ulicka Lwowska 29 zu sehen, kurz hinter der Einmündung zur großen Straße Boleslawa Limanowskiego. Dort finden sich auch Gedenktafeln.

 

Unweit von der Mauer, fußläufig von Schindlers Fabrik und angrenzend an Pod Orlem findet sich der Platz der Ghettohelden.

 

Auf dem sehr übersichtlichen Platz finden sich 70 leere Stühle. Sie wurden 2005 als Denkmal angebracht und sollen symbolisieren, dass von den Tausenden Menschen im Ghetto nur noch die Möbel übrig geblieben sind. Laut Überlieferungen von Pankiewicz sollen auf dem damals noch "Platz der Einheit" heißenden Platz unzählige Möbelstücke verfallen und gelagert worden sein, die mit ihren Bewohnern hin- und hergetragen wurden. Der Platz hat ohnehin eine sehr tragische Geschichte. Hier fanden alle Versammlungen statt - bevor die Menschen deportiert wurden, mussten sie auf dem Platz zusammenkommen.

 

Unweit liegt auch ein kleines Denkmal, das fast untergeht durch die Pflanzen drum herum: Hier wird 200 Kindern gedacht, die bei der Räumung des jüdischen Waisenhauses ums Leben kamen. Auch zu dieser Geschichte erfährt man mehr im Museum von Pod Orlem. Unter anderem weigerte sich die Heimleitung, die Kinder alleine zu lassen, obwohl sie hätte gerettet werden können. Stattdessen wollte sie, dass die Kinder nicht so viel Angst hatten und entschied sich daher, mit den Kindern in den sicheren Tod zu gehen.

 

Das Krakauer Ghetto wurde 1943 aufgelöst, wobei es schon 1942 erste Zwangsräumungen gab. Die Bewohner wurden in die Konzentrationslager Auschwitz und Plaszow gebracht.

 

Übrigens gibt es auch in anderen Städten in Polen noch Erinnerungsorte an die NS-Zeit . In Warschau beispielsweise gibt es ein Museum zum Aufstand gegen die NS-Besatzer. "Konpasu" hat Tipps für deinen Besuch in der polnischen Hauptstadt Warschau.


Ein Held im Krakauer Ghetto: Die Apteka Pod Orlem

Wer mehr über das Leben im Ghetto erfahren möchte, besuche entweder das Museum in Schindlers Emaillenfabrik oder das Museum in der einstigen Adlerapotheke (auf Polnisch Apteka Pod Orlem) am Rande des Platzes der Ghettohelden.

 

Der Apotheker Tadeusz Pankiewicz, der sich durch Bestechungsgelder gegen eine Verlegung seiner Apotheke aus dem Ghetto wehrte und damit der einzige nicht-jüdische Bewohner des Ghettos war, war dort nicht nur für die medizinische Versorgung der jüdischen Bevölkerung zuständig, seine Apotheke wurde auch Zentrum des Soziallebens des Ghettos.

 

So finden sich im Museum zahlreiche Fotografien, aber auch Schmuck von Menschen, die Pankiewicz ihr Hab und Gut überließen, als sie deportiert wurden, damit dieser es sicher verwahre, bis sie wiederkommen würden... 

 

Das Museum ist zwar sehr klein, aber recht interaktiv gestaltet. Man kann verschiedene Schubladen öffnen und darin mehr zu den jeweiligen Bewohnern des Ghettos erfahren oder auch über Telefonhörer Geschichten erzählt bekommen.

 

Der Eintritt zur Apotheke kostet 11 Zloty, also keine drei Euro, (ermäßigt 9), Tickets werden im Nachbargebäude verkauft. 


Ein KZ mitten in Krakau: Das Konzentrationslager Plaszow

Einst war das Areal des ehemaligen Konzentrationslagers Plaszow ein jüdischer Friedhof. Auf den Leichen ihrer Vorfahren also mussten jene leben, die ab 1940 nach Plaszow, das heute mitten in Krakau liegt, dorthin deportiert wurden. Plaszow wurde als Arbeitslager errichtet - Bekanntheit erlangte es unter anderem durch den Film Schindlers Liste, der das willkürliche Töten von Amon Göth thematisiert. Er schoss morgens gerne von seinem Balkon auf Häftlinge.

 

Plaszow ist heute weitestgehend eine grüne Oase innerhalb des Stadtgebiets und wirkt auch deshalb völlig surreal. Seit einigen Jahren gibt es immerhin 18 Informationstafeln über das Gelände verteilt, das an die Gräuel erinnert, die die Nazis hier verrichteten. Ein Denkmal erinnert ebenfalls an die Opfer.

 

Da ich Plaszow berührend und gleichzeitig völlig surreal empfand - ein Ort, an dem schlimmste Verbrechen geschahen und der heute einfach wunderschöne Natur ist, das geht nicht so in meinen Kopf -, habe ich über den Besuch einen eigenen Beitrag geeschrieben.


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Kommentare: 4
  • #1

    Julia (Freitag, 02 Oktober 2020 13:12)

    Sehr schön und auch die gedanken an die geretteten Menschen von Schindler.
    Das darf nie im vergessenheit geraten. Eine schöne Reise hast du gemacht.
    LG
    Julia

  • #2

    Michelle (Montag, 05 Oktober 2020 17:02)

    Krakau hat mich wirklich sehr begeistert, als ich dort war. Und von den verschiedenen Synagogen war ich auch sehr fasziniert. Die Emaillefabrik haben wir nicht besichtigt, das passte einfach zeitlich nicht mehr, dafür haben wir einen Ausflug nach Auschwitz-Birkenau unternommen.

    Dürfte ich deinen Beitrag in meinem verlinken, wenn ich ihn endlich fertigstelle? :)

    Liebe Grüße!
    Michelle

  • #3

    Jana (Mittwoch, 13 Januar 2021 20:47)

    Ich muss sagen, dass ich schon unheimlich viel von Krakau gelesen habe, aber bisher viel zu wenig von unserem Nachbarland weiß. Eigentlich schade als Brandenburgerin, die es nun gar nicht so weit bis zur Grenze hätte. Aber irgendwann hole ich das mal nach, nicht zuletzt, um all der Opfer zu gedenken!

    Liebe Grüße
    Jana

  • #4

    Wolfgang Horlamus (Samstag, 23 Januar 2021 13:56)

    Vielen Dank für diese Seite! Ich war schon mehrfach in Krakow, noch zu DDR-Zeiten. Zu meinem 60. Geburtstag hat mir meine Frau noch einmal eine Reise nach Krakow geschenkt. 2010 war ich das erste Mal im Jüdischen Viertel, habe natürlich auch vorher den Film "Schindlers Liste" gesehen.

    Persönlich waren wir sehr beeeindruckt und voll Demut, dass wir einseits zu den Nachkommen dieses Regimes gehören, das dem jüdischen Volk dieses Leid zugefügt hat. Anderererseits sind wir froh, dass es soetwas heute nicht mehr gibt und wir hier im Frieden und ohne diese Verbrechen aufgewachsen sind. Leider ist das ja keine globale Erscheinung. Ich würde gerne einiger ihrer Wortpassagen in meinem persönlichen Fotobuch aufnehmen, natürlich mit Hinweis auf die Quelle. Alles Gute, Wolfgang Horlamus