Gott und Kenia: Wie Religion die Gesellschaft prägt

Dass Religion in Kenia eine sehr große Rolle spielt, wusste ich schon, ehe ich 2017 das erste Mal längere Zeit in Kenia war. Was der Einfluss der christlichen Kirchen aber so im Generellen bedeutet, war mir nicht bewusst. Von klein auf werden die Kinder mit dem christlichen Gedanken großgezogen - verantwortlich für das eigene Leben ist nicht jeder selbst, sondern Gott (oder im Schlechten: Satan). Kinder bekommen keine Chance, nicht glauben zu dürfen, sie bekommen keinen Raum, zu hinterfragen. Denn das Schulsystem läuft nach wie vor über die großen Kirchen - wie zu Zeiten von Missionierung und Kolonisation. Die Kirchen bestimmen den Lehrplan - mit bisweilen fatalen Folgen.  


 

Hinweis in eigener Sache:

Diesen Artikel habe ich im Ursprung im Februar 2017 verfasst - da ich inzwischen aber viel zur Kirche in Kenia und ihrem Einfluss auf den Gesellschaft, Staat und Politik geforscht habe, unter anderem im Zuge meines Masterstudiums, habe ich ihn im März 2021 noch einmal grundlegend überarbeitet.

 
     

Die Anglikanische Kirche Kenia und ich

Mein modernes Ich kämpft in Kenia sehr gegen dieses ultrakonservative Geschwatz a la "Homosexualität ist abnormal", "Wer im Jetzt leiden muss, hat Vorfahren, die böses getan haben" und "Wenn du irgendwas willst, etwa einen Radiergummi, bitte Gott darum, dann kriegst du es." Fehlgeburten oder Mütter, deren Männer weglaufen, sind immer eine Strafe Gottes und Verhütung und Sexualaufklärung führt nur dazu, dass Jugendliche auf die Idee kommen, Sex zu haben.

 

Aber von vorne: In Kenia halte ich mich in der Regel in einem sehr christlichen Waisenhaus auf, gegründet von der "Mother's Union", der Frauenorganisation der Anglikanischen Kirche (Anglican Church of Kenya - ACK). Dass hier Beten und Gott eine große Rolle spielen, war mir also durchaus klar. 

 

Ich habe mich mit Religion schon viele Jahre sehr schwer getan. Ich bin in einem katholischen Umfeld aufgewachsen, musste früher auch immer mal zur Kirche, ich ging zur Erstkommunion und wurde gefirmt. Aber ich weiß nicht, ob ich jemals wirklich an Gott und Jesus, an die Bibel und an die Kirche geglaubt habe. Vor einigen Jahren bin ich deshalb auch ausgetreten. Sehr viele Positionen, die vor allem der konservative Flügel der christlichen Religionen propagiert, halte ich für menschenverachtend, fatal und fahrlässig. 

 

Ihr seht, da sind zwei Welten aufeinander geprallt - und prallen noch immer aufeinander. In Kenia gehören 82,6 Prozent der Bevölkerung einer christlichen Religion an, davon sind 47,4 Prozent protestantisch, 26 Prozent Mitglieder der ACK und 23,3 Prozent gehören der katholischen Kirche an. Die 11,1 Prozent Muslime finden sich vor allem an der Küste. Das ergab zumindest die große Volkszählung 2009. Auch wenn sich die Daten in den vergangenen zwölf Jahren natürlich ein wenig geändert haben, gibt das hier einen guten Einblick, wie tief verwurzelt die christliche Kirche in Kenia ist. Nur 2,4 Prozent der Kenianer sind konfessionslos - zum Vergleich: In Deutschland sind es 37 Prozent. 


Religion und Schule in Kenia

In der Schule spielt Religion eine große Rolle. Einmal die Woche ist, zusätzlich zum normalen Religionsunterricht, "pastorales Programm". Dann singen die Kinder der Klassen 1 bis 4 und der Klassen 5 bis 8 jeweils gemeinsam, sie beten gemeinsam und einzelne Kinder singen auch nochmal gesondert vor.

 

Aber auch vor vielen Stunden, am Ende vieler Stunden und generell wird viel gebetet. Bei der Versammlung der Schülerschaft am Montag und Freitag etwa, aber auch vor jedem offiziellen Treffen im Lehrerzimmer spricht die Sozialarbeiterin - eingesetzt von der Kirche, Mitglied der Mother's Union - Gebete. Auch ich wurde schon danach gefragt, Gebete vorzutragen, allerdings habe ich das bislang abgelehnt (käme ich mir als Atheistin auch reichlich blöd dabei vor).

 

Abgesehen davon, dass ich es krass finde, wie stark die Kinder von Religion infiltriert werden und so gar keine Chance haben, nicht glauben zu dürfen, ist es bisweilen auch schwierig im Alltag. Die Kinder müssen etwa täglich beten und danken, dass sie so tolle Lehrer haben (Wahrheitsgehalt spielt keine Rolle), sie müssen generell immer für alles und jeden beten und bekommen eingeredet, dass Gott alles für sie schafft, wenn sie ihn nur lange genug darum bitten.

 

In der Praxis heißt das, dass es nicht schlimm ist, wenn Spielzeug, Schulzeug oder Bücher kaputt gehen - man muss ja nur ein wenig beten, dann fallen neue Materialien vom Himmel. So lernen sie natürlich keinen gesunden und verantwortungsbewussten Umgang mit Eigentum.

 

Die christlichen Religionen hatten übrigens schon immer einen großen Einfluss im Bildungswesen in Kenia. Als die christlichen Missionare nach Kenia kamen, etablierten sie Schulen. Dort wurde den afrikanischen Kindern und jungen Leuten nicht nur Lesen und Schreiben beigebracht, sondern auch das Christentum vermittelt. Wer sich dem Christentum bekannte, erhielt also die "Bildung der Weißen". Auch heute noch betreibt alleine die ACK 30 Prozent der Grundschulen in Kenia.

 

Für die christlichen Kirchen war der Ausbau der sozialen Infrastruktur von Beginn an wichtig - und verhalf ihnen auch zum Erfolg. Denn nur über diese soziale Infrastruktur - Schulen, Krankenhäuser, Ausbildungsförderung, berufliche Weiterbildungen -, wurde die lokale Bevölkerung erreicht. 

 

Erst mit der Unabhängigkeit Kenias 1963 musste die Kirche die Hoheit über die Lehrpläne an den Staat abgeben - darf aber in entsprechenden Gremien immer noch mit entscheiden. Im "Education Act" von 1968, der heute noch gilt, ist geregelt, dass religiöse Traditionen in den Schulen gewahrt werden müsse, Kinder nur Schulen aufsuchen sollen, die ihrer Religion entsprechen und die Kirchen als Sponsoren das Recht hätten, die Schulen zum Zwecke der "religiösen Einführung und Supervision" aufzusuchen.  Die Kirchen bestimmen den Lehrplan für die religiösen Fächer - dieser muss dann vom Bildungsministerium abgesegnet werden. 

 

Die Kirchen haben übrigens deshalb so viel Einfluss auf die Politik, weil zum einen das Sozialsystem ohne die Kirchen kollabieren würde. Zum anderen aber, und das ist der bedeutendste Grund, wurden nahezu alle politischen Führer des Landes in christlichen Schulen ausgebildet. Sie wurden von Missionaren und deren Nachfolger auf Linie gebracht. Dieses Gedankengut tragen sie auch in die Politik - und dieses Gedankengut ist oft Grundlage einer politischen Entscheidung.


Religion und Gesellschaft in Kenia

Durch die Schulen und die christlichen Inhalte, die an Schulen vermittelt werden, wird die gesamte Gesellschaft geformt. Denn: Kinder werden erst in der Oberstufe, also mit frühestens 16 Jahren, aufgeklärt - in einem Land, in dem die Kinder teilweise mit 13 schon schwanger sind (Kenia ist weltweit eines der führenden Länder in Sachen Teenager-Schwangerschaften). Durch Aufklärung würden sie nur auf den Gedanken gebracht, Sex zu haben, argumentieren die konservativen Flügel in den Kirchen. Sex gibt es eh in der Ehe und ist außerhalb grundsätzlich schlecht, weil man davon HIV und/oder Kinder bekommt.

 

Was das bedeutet: Einige unserer Abgängerinnen aus dem Waisenhaus sind ziemlich direkt nach ihrem Schulabschluss schwanger geworden. Der Kerl war jeweils gleich weg. Denn sie probieren Sex irgendwann eben aus - und schwupps, sind sie tatsächlich schwanger, weil sie eben nie gesagt bekommen haben, dass man auch verhüten kann, bzw. sie keinen Ansprechpartner in diesen Fragen haben. Dann ist das ganze Geld, das man in ihre gute Schulausbildung investiert hat, zunichte gemacht - weil sie eben erst einmal alleinerziehende Mütter sind.

 

Das ist auch eine der großen Armutsspiralen in Kenia und generell in Afrika: Frauen werden mangels Aufklärung früh schwanger und müssen sich um die Kinder kümmern. Sie haben keine Chance, einen höheren Bildungsabschluss zu machen und einen Job mit einem sicheren Einkommen zu finden. Väter sind in Kenia nicht unterhaltspflichtig - die Mutter muss ganz alleine sehen, wie sie klarkommt. Auch staatliche Hilfen gibt es nicht.

 

Noch schlimmer sieht es bei HIV/Aids aus: Nicht nur, dass die erkrankte Person der Volkswirtschaft nicht mehr zur Verfügung steht, sie braucht auch teure Medikamente und die Pflege weiterer Familienangehöriger. Kenia liegt auf Platz 13 weltweit, was die Anzahl an HIV-Infektionen angeht.

 

Übrigens ziemlich paradox: Sind die minderjährigen Mädchen erst einmal schwanger oder die Menschen mit HIV infiziert, greift ein Hilfsnetzwerk der Kirchen. Die Kinder werden in kirchlichen Einrichtungen betreut, bekommen Medikamente bezahlt und die Aids-Waisen werden in kirchlichen Waisenhäusern aufgenommen. Die Krankheiten und frühen Schwangerschaften werden als Strafe Gottes angesehen - und als gutes Beispiel dafür, dass man enthaltsam sein solle.



Kenia und das Christentum: Die umgekehrte Missionierung

Auch im Alltag spielt Religion eine große Rolle. Ständig soll Gott jemanden blessen, oder Jesus saved jemanden und und und. Das ist ein wenig anstrengend für mich als Nicht-Gläubige. Viele Gespräche landen irgendwann bei Gott und dem Glauben und all dem Drum herum.

 

Das erste dieser wirklich intensiven Gespräche hatte ich nach einer Woche in Kenia, als ich ein Wochenende bei einem kenianischen Ehepaar verbrachte, das mit einem Freund von mir befreundet ist. Sie waren sofort super gastfreundlich, haben mich aufgenommen, wir waren gemeinsam essen und irgendwann kamen wir aufs Thema Religion. Kurze Zeit später hatte ich ein ebensolches Gespräch mit dem Sohn unserer ehemaligen, inzwischen pensionierten Heimleiterin. Er wollte mir nur ein Laptopkabel vorbeibringen, morgens um 7.30 Uhr und wir haben eine Stunde sehr intensiv diskutiert.

 

Sie versuchen einem den Glauben nahezu aufzudrängen. "Was glaubst du, was passiert, wenn du stirbst?" - "Dann werde ich vergraben." - "Und wenn nicht?" - "Dann gibt es eine Überraschung. Gegenfrage: Was glaubst du, was passiert, wenn du stirbst?" - "Ich komme in den Himmel." - "Und wenn nicht?" - "Das gibt es nicht."

 

"Wenn die Erstgeborene keinen zum Heiraten findet, dann haben die Vorfahren etwas Böses getan, damit Gott die Familie nun damit bestraft." Generell gilt das auch für etwa Single-Mamas. Oder für Kranke. Es ist immer die Rache für irgendwas. Selbstbestimmtes Leben ist so natürlich nicht möglich. Wenn man die Gegenfrage stellt, warum Gott wollen würde, dass man leidet, so ist die Antwort stets, dass es der Teufel ist, der Böses will.

 

Lustigerweise ist die Ehe hier in Kenia zwar das Nonplusultra, aber gefühlt geht jeder Mann fremd. Ich habe hier (aufgrund meiner Hautfarbe) so viele Angebote bekommen, wir reden von zwei bis fünf täglich, und die meisten der Typen sind schon verheiratet. Der "Boyfriend aside" und das "Girlfriend aside" sind hier gesellschaftlich akzeptiert, wenn natürlich auch der Partner meist nicht davon weiß.

 

Generell ist die Vielehe in Kenia auch nach wie vor gesetzlich erlaubt. Natürlich darf nur ein Mann mehrere Frauen haben und eine Frau nicht mehrere Männer. Die Erstfrau muss theoretisch zustimmen, wenn der Mann eine Zweitfrau will. Bei solchen "ist in unserer Kultur traditionell so"-Dingen sind die Kenianer dann auf einmal nicht mehr so stark an Bibel und Christentum gebunden.


Religion und Homosexualität in Kenia

Ein schwieriges Kapitel ist auch der Umgang der Kirche - und der gesamten Gesellschaft - mit Homosexualität. Die meisten Religiösen in Kenia finden Homosexualität etwas abnormales, ekliges und etwas, das nicht sein darf. Homosexualität ist auch verboten und kann mit einer Haftstrafe bis zu sieben Jahren geahndet werden. Meist greift allerdings Selbstjustiz - werden zwei Schwule oder Lesben erwischt, werden sie von der Nachbarschaft verprügelt. 

 

Wenn ich etwa frage, wieso zwei Schwule einer Ehe mehr schaden sollten als Mann-Frau, die sich gegenseitig betrügen und belügen, dann kommt meist keine Antwort. Oder: "Sexuell ist das eben nicht gewollt, sonst könnten Mann und Mann Kinder zeugen."

 

Mit mehreren Bekannten sprach ich auch über Adoption - und natürlich geht es nicht, dass zwei Männer oder zwei Frauen ein Kind großziehen - das würde ja zur Toleranz dieser Abnormalität gezwungen. "Schau dir diese Kinder da unten an, die meisten sind keine Vollwaisen, die meisten haben ihre Mutter verloren und der Vater ist irgendwann um ihre Geburt herum einfach verschwunden - glaubst du, dass es besser ist, solch einen Vater zu haben als einen schwulen Vater, der sein Kind über alles liebt?" Ja, dann kommen meist keine Antworten mehr.

 

Ändern wird es aber nichts, weil die Bibel ja angeblich sagt, dass es was ganz schlimmes ist. Die besten Blicke ernte ich übrigens, wenn es darum geht, dass ich ja auch einen Freund hätte und keine Freundin, und es für mich damit ja auch so wäre, dass ich mich eben zu Männern sexuell hingezogen fühle. "Ich finde auch viele Frauen sehr attraktiv." - "Aber attraktiv ist was anderes. Du fühlst dich nicht zu ihnen hingezogen und möchtest sie küssen." - "Oh doch!" Herrlich! 

 

In Kenia gibt es immer mal wieder Vorstöße von Menschenrechtsgruppen, die gegen die Kriminalisierung von Homosexualität klagen. Erst 2020 wurde wieder gerichtlich geurteilt, dass Homosexualität abnormal ist und bestraft werden darf. Dennoch war der Film "Rafiki", der 2081 in die Kinos kam und die lesbische Beziehung von Töchtern zweier konkurrierenden Lokalpolitikern erzählt, ein Hit - auch in Kenia. Offiziell hat ihn natürlich niemand gesehen - erlaubt war er nur für zwei Wochen, dann wurde er wegen Sittenwidrigkeit und Werbung für Homosexualität verboten. 

 

Auch wenn ich weiß, dass die Gespräche, dass die Gespräche zu nichts (als Ärger) führen, führe ich sie hin und wieder. Erst kürzlich mit einer ehemaligen Arbeitskollegin aus Ghana. Sie verglich Homosexualität mit Mord. Kein Scherz. Sie hasse nicht die Personen, sondern den Akt, sagte sie. Und genau wie man einen Mörder durch die Einbindung in die Gemeinschaft vom Bösen abkehren könne, könne man auch Schwule durch Gebete heilen. Auf meinen Hinweis, dass das eine Persönlichkeit ist und das andere eine Straftat, bei der jemand Fremdes geschadet wird, entgegnete sie, dass Männer ja auch körperliche Schäden durch analen Geschlechtsverkehr erleiden können und dass Analverkehr Krebs auslöse.


Jeden Sonntag in der Kirche: Ein etwas anderer Gottesdienst

Obwohl diese krasse Religiosität enorm abschreckend für mich ist, weiß ich auch, dass sie zur Kultur und Gesellschaft von Kenia gehört. Deshalb bin ich schon dem sonntäglichen Alltag in Kenia gefolgt und war in der Kirche, zusammen mit einem sehr gläubigen (aber auch sehr nicht-christlich lebenden) Freund in Ndenderu in der Nähe von Nairobi. In Kenia besuchen Christen mindestens einmal wöchentlich den Gottesdienst.

 

Kirche in Kenia ist ganz anders. Nun war ich zwar ewig nicht in Deutschland in einer Kirche, aber aus meiner Kindheit habe ich doch noch die ein oder andere Erinnerung. Der Gottesdienst in Kenia dauert zweieinhalb bis drei Stunden. Kein Scherz. Dafür ist er ein wenig lockerer und lustiger als bei uns. Es wird getanzt, gesungen, geklatscht, da fordert auch mal der Pastor auf, jetzt die Hände in die Höhe zu nehmen oder sich High-Five zu geben.

 

Der erste Teil des Gottesdienstes ist das, was wir auch in Deutschland kennen. Es wird aus der Bibel gelesen, gemeinsam gebetet und gesungen. Dann folgt ein Teil, in dem nur gesungen und getanzt wird - und das wahnsinnig laut. Generell wird beim Beten und Singen hier immer sehr dolle geschrien - damit Gott und Jesus es auch hören.

 

Danach kommt der Teil, den es bei mir in der Heimat am Ende in einer Minute gab: Das aktuelle vom Dorfgeschehen. Während man sich in meinem Dorf auf "wer ist gestorben, wer hat ein Kind bekommen" etc. konzentriert hat, so geht es hier dann eher um generelles aus dem Dorf. Diskutiert werden Verkehrsunfälle, Gerüchte (und dass der Satan die holen soll, die Gerüchte verbreiten - natürlich wird dabei zehn Minuten lang das Gerücht weitergetratscht, inklusive aller Namen), um die Wahlen, um Häuserbrände, Diebstahls und andere Dinge. Aber auch darum, wann welche Häuser fertig werden, wann irgendwelche Büros eröffnen usw. Es ist quasi, als würde das gesamte Gemeindeblatt vorgetragen.

 

Ach ja, ich musste mich dann noch als Besucher am Mikrofon vorstellen - was mir äußerst unangenehm war, da ich ja eh schon so aufgefallen bin - in Ndenderu gibt es keine Weißen. Und das Publikum habe ich dann auch nicht mit "God bless you" begrüßt/verabschiedet - was für ein Raunen sorgte.

 

Im vierten Teil wird zunächst wieder kurz gesungen (es war ein junger Rapper da), danach bekommen etwa Politiker die Erlaubnis, zu sprechen. Mein Besuch war im Frühjahr 2017, zu dem Zeitpunkt war das sehr beliebt, da im folgenden August Wahlen waren. Der Politiker sprach über seine Beziehung zu Gott, über sein Leben und am Ende machte er dann Wahlwerbung. Danach folgt ein Teil mit einer seeeehr ausgedehnten Predigt (nicht vom Pastor). Zu Liedern und weiteren Gebeten gibt es am Ende schließlich noch die Opfergabe. Schwupps, sind drei Stunden um.

 

Generell fällt auf: Es waren bis auf einen Sprecher (der mit den Gerüchten) alles Frauen. Frauen haben gesungen, die Predigt gehalten, den Gottesdient moderiert. Das war schon spannend zu sehen. Generell erschreckt mich aber eher, wie plötzlich alle sektenartig vor sich hinbeten, rumschreien, die Hände zum Himmel strecken, auf den Boden sinken, ihr Gesicht in den Händen vergraben. Aber da es ein großer Teil der kenianischen Kultur ist, war es mir wichtig, doch einmal dabei gewesen zu sein. Noch einmal muss ich diese Erfahrung aber nicht machen!


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Kommentare: 5
  • #1

    Mo (Donnerstag, 11 März 2021 20:29)

    Liebe Miriam,

    das Thema Kirche ist wirklich eines, welches meine Halsschlagader zum Anschwellen bringt. Besonders wie in diesem Fall, wenn ich lese was den Kindern in Kenia suggeriert wird. Das ist wirklich erschreckend und das im 21. Jahrhundert. Super gefallen haben mir deine Gegenfragen. Ich finde es immer faszinierend, wie Menschen reagieren, wenn sie mit ihren schwachsinnigen Aussagen konfrontiert werden.

    Liebe Grüße
    Mo

  • #2

    Barbara (Donnerstag, 11 März 2021 21:26)

    Ein toller und ausführlicher Beitrag. Ich war mir gar nicht bewusst wie weitreichend die Religion in das Leben der Kenianer einfluss nimmt. Ein Kreis der fast nicht durchbrochen werden kann, besonders wenn der glauben so einen grossen Einfluss in der Schule/Bildung hat.

  • #3

    Julia (Freitag, 12 März 2021 19:22)

    Hallo Miriam,

    kein leichtes und gutes Thema und schwer für mich darauf zu Antworten. Also die leben dort nach dem Katholischen, denn die Katholische Kirche sieht das so krass und spielt sich gleichzeitig als Retter auf. Dabei leben die nicht wirklich so wie die Bibel das sagt. Aber gut den Kindern keine Wahl zu lassen finde ich nicht gut. Jeder muss für sich entscheiden, was er glaubt. Das sage ich die an Gott und Jesus glaubt aber niemand was aufdrängen möchte. Was du beschreibst hört sich nach Zwang an und so sollte das nicht laufen. Auch das mit dem aufdrängen usw. Vielleicht wird sich irgendwann was ändern.
    Liebe Grüße
    Julia

  • #4

    Steffi (Freitag, 12 März 2021 19:31)

    Huhu,

    ich persönlich habe keinen Bezug zur Kirche, aber ich fand den Beitrag sehr informativ und auch interessant. Ich finde man sollte jeden selber überlassen ob er glauben möchte oder nicht.

    LG Steffi

  • #5

    Ulrike (Freitag, 19 März 2021 08:03)

    Moin!
    Danke für den sehr interessanten Artikel! Ich finde es immer wichtig, auch etwas über die im bereisten Land praktizierten Religionen zu wissen. Das gehört dazu, wenn man wissen will, wie die Leute ticken. Mir hilft dabei, dass ich als Jugendliche sehr gläubig war. Lange Zeit hatte ich beim Reisen tatsächlich ein Neues Testament dabei. Doch wenn ich mit kritischen Fragen zu einem Pastor ging, stieß ich auf Ablehnung. Schließlich lernte ich den Theravada-Buddhismus kennen. Dort wird die Selbstverantwortung und die kritische Auseinandersetzung mit Inhalten und Lehrern betont. Nun habe ich keinen Gott mehr aber eine spirituelle Heimat. Das fühlt sich gut an. Es lässt mir aber auch die Möglichkeit, zu sagen, dass andere Religionen gut sind und ihre Berechtigung haben, wenn die Menschen damit glücklich sind. Das scheint in Kenia anscheinend häufig nicht der Fall zu sein. Irgendwie sehr schade, dass dort auch die kritische Auseinandersetzung damit nicht toleriert wird.
    Liebe Grüße
    Ulrike