Kulturschock: Wenn eine Reise in die Fremde überfordert

Hattest du schon einmal einen Kulturschock? Nun, wer viel reist oder viel umzieht, dem ist es sicher schon einmal passiert, dass er sich unangenehm fremd und überfordert gefühlt hat. Mir ist es ein paarmal passiert. Als ich nach Norwegen umgezogen bin beispielsweise - und Elch und Rentier auf dem Speiseplan standen. Oder als ich nach Passau zum Studieren gezogen bin, wo Einheimische ihre Abneigung gegenüber Studenten leider zu oft deutlich gemacht haben. Den größten Kulturschock hatte ich wohl in Kenia - an einem Tag, an dem ich morgens  bei einem Familienbesuch die größte Armut erlebt habe und nachmittags im noblen Muthaiga Country Club in Nairobi gegessen habe. 


Kulturschock auf Reisen: Was ist das eigentlich?

Ann-Cathrin vom Reiseblog "Weltenbummelz" hat kürzlich eine Blogparade gestartet und andere Reiseblogger gefragt, in welchen Momenten sie einen Kulturschock auf Reisen hatten. Sie beschreibt damit Momente, in denen sich der Reisende fehl am Platz, unwohl oder überfordert gefühlt hat, wie es ihr bei einem Trekking in Chiang Tai in Thailand ergangen ist. 

 

In der Wissenschaft gibt es zwei Ansätze der Definition von Kulturschock. Es geht zum einen über die Momentaufnahme, wenn man sich zu einem Zeitpunkt plötzlich fremd und unwohl fühlt und in eine Art Schockzustand verfällt.

 

Der amerikanisch-finnische Soziologe Kalervo Oberg hat hingegen noch eine weitere Komponente einbezogen: Es geht um den gesamten Prozess, wenn jemand über eine längere Zeit in eine fremde Kultur eintaucht und sie als andersartig empfindet. Personen, die einen Kulturschock erleiden, empfinden beispielsweise Stress, Anpassungsstörungen, haben Angst vor Verlust und Ablehnung, sind selbst in ablehnender Haltung, suchen ihre Identität oder sind verwirrt über die Rollenerwartung, die an einen gestellt werden. Überraschung, Ohnmacht und Empörung können ebenso Teil des Kulturschocks sein. 

 

Wenn wir uns nun vor allem auf den Aspekt fremd beziehen, so müssten wir permanent einen Kulturschock haben. Denn wir gehören mit unserer Geburt eigentlich nur einer Kultur an - alle anderen Tausenden von Kulturen sind anders als unsere und uns fremd. Und an vielen Orten sind wir fremd und fühlen uns auch so. 

 

Dennoch löst dieses Fremdsein manchmal ein gutes und manchmal eben ein ungutes Gefühl aus. Wir können uns in der Fremde willkommen und aufgenommen fühlen. Wir können aber auch den Eindruck haben, dass es so fremd und anders ist, dass es uns nicht zusagt. Dass es beispielsweise gegen unsere Werte spricht, gegen unsere Überzeugung. 

 

Und genau in diesem Momenten spricht man dann von einem Kulturschock. Es ist nämlich nicht nur, dass man sich an einem Ort fremd fühlen muss, mehrere Faktoren spielen eine Rolle. Fremd per se fühlt sich nicht schlecht an, aber Überforderung oder Unwohlsein tut es.  


Mein erster Kulturschock: Ein Jahr in Norwegen

Als ich von zu Hause ausgezogen bin, war ich gerade 19 Jahre alt geworden. Ich bin in einem ruhigen dörflichen Umfeld aufgewachsen, in einem 5000-Einwohner-Dorf in Baden-Württemberg. Keiner meiner Verwandten oder Freunde hat groß den Eindruck gemacht, von dort weg zu wollen. Bei mir war es irgendwie immer anders und meine Mama sagt heute, dass sie damals überhaupt nicht verwundert war, als ich ihr mitteilte, dass ich nach Norwegen ziehen möchte.

 

Norwegen kannte ich schon aus dem Urlaub, mein erster Freund war Norweger und lebte in Lillehammer. Ich hatte sogar die Familie, bei der ich als Aupair arbeitete, vorab kennengelernt, als ich im Urlaub in Oslo war. 

 

Eigentlich habe ich damit nahezu alle Vorbereitungen getroffen, die man so treffen kann. Ich wusste, dass ich eine neue Sprache lernen würde, dass ich zu Beginn aber gut mit Englisch durchkommen würde. Ich war natürlich aufgeregt, habe mich aber trotzdem sicher gefühlt. 

 

Die Realität hat mich dann aber recht schnell eingeholt. Und ich glaube, dass es zwar auch mit der norwegischen Mentalität und Kultur zu tun hatte, aber vor allem mit dem Alltag der Familie, der so ganz anders war als der Alltag, den ich kannte. 

 

Ständig standen Speisen auf dem Tisch, die ich nicht kannte - und nicht so gern mochte. Elch, Rentier, Fisch. Ständig hat die kleine Dreijährige getrotzt und um sich gehauen und ich konnte nicht wirklich mit ihr kommunizieren. Sie war ziemlich verwöhnt und ich wollte mir nicht so auf der Nase rumtanzen lassen. Ich habe wirklich oft geheult. Und manchmal auch meine Mama angerufen, weil ich nur noch heim wollte.

 

Mich hat das damals sehr irritiert. Vor allem, wie man in Norwegen das Familienleben regelt. Sie hatten ein Kind, sie gingen beide Vollzeit arbeiten - mit vielen Überstunden, Geschäftsreisen und oft einigen Stunden im Auto, weil die Rush Hour rund um Oslo schrecklich ist. Das Kind war bereits mit einem Jahr im Kindergarten - von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr. Das kannte ich ganz anders: Ich kam mit drei Jahren in den Kindergarten und dann auch nur vormittags und nachmittags jeweils einige Stunden - Mittagessen gab es daheim. Meine Eltern mussten nicht auf Geschäftsreisen und Rush Hour kannte man in meinem Dorf auch nicht. 

 

Und dann war ständig Action in der Familie. Es war mega chaotisch in dem riesigen Haus (okay, das kannte ich von daheim auch), dennoch hatten wir ständig Besuch, manchmal lebten vier Menschen gleichzeitig im großen Gästezimmer. Es gab kaum eine ruhige Minute daheim, denn nach Kita und Job war Schwimmtraining, Skitraining, Musikunterricht oder sonstiges. Am Wochenende fuhren wir auf die Hütte (natürlich immer mit der erweiterten Familie), zum Skifahren (und ich war bis zu meinem Umzug nach Norwegen nie vorher Skifahren!) oder machten Ausflüge mit dem Boot auf dem Oslofjord. Das war toll für mich - aber auch anstrengend. 

 

Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Wochen in Norwegen und wie fremd ich mich gefühlt habe, oft auch unwohl. Obwohl ich das Land und die Leute liebte. 

 

Ich erinnere mich an mein erstes Wochenende, das ich zeltend mit meinem damaligen Freund und seiner Familie verbrachte. Wildcampen und tagelang nicht duschen können, das war ja so gar nicht meines. Heute fände ich es wahrscheinlich gar nicht so schlimm und eher abenteuerlich, aber damals war das für mich enorm sonderbar.

 

Und kurze Zeit später waren wir zum ersten Mal in der Hütte meiner Gastfamilie in Valdres, in den Bergen in Mittelnorwegen - es gab nur ein Plumpsklo und kein fließend Wasser. Wir mussten das Wasser von einem nahegelegenen See mit Eimern holen. Das war schon ziemlich gewöhnungsbedürftig. Und das Hinkommen war auch abenteuerlich - im Winter kann man die Hütte nur mit Skiern oder Schneemobil erreichen. Ich kann getrost sagen, dass ich beim ersten Mal dort abends geheult habe (wie so oft in den ersten Wochen in Norwegen) - und beim zweiten Mal versucht habe, mich um die Fahrt dorthin zu drücken. 

 

Heute finde ich diese Erinnerungen befremdlich - also ganz so, als wäre mein eigener Kulturschock damals ein Kulturschock. Inzwischen kann ich mir kaum einen schöneren Ort vorstellen als die abgelegenen Hütten in Valdres, vor allem im Winter, mit all dem Schnee. Ich genieße es, die Tage draußen zu verbringen und auf Tour zu gehen - auch wenn ich auf Langlaufskiern immer noch eher rumstolpere als fahre. Ich hab gerne Action, ich entdecke gerne neue Orte, ich zelte sogar hin und wieder sehr gerne. Nach dem anfänglichen Kulturschock hat Norwegen mich nämlich verändert: Ich habe wieder zurück zur Natur gefunden. Ich liebe jetzt viele der Dinge, die ich damals befremdlich fand und die mich damals überfordert haben. Aber Elch, Rentier und Fisch kommt mir nicht mehr auf den Tisch (auch wenn mir Fisch am Ende wirklich gut geschmeckt hat). 


Mein unerwarteter Kulturschock: Studieren in Passau

Meinen zweiten und meinen zweitgrößten Kulturschock hatte ich direkt, als ich aus Norwegen nach Deutschland zurückkam. Nach ein paar Wochen in meinem Elternhaus zog ich endgültig aus - und zwar nach Passau. Im niederbayerischen Passau hatte ich einen Studienplatz bekommen und wollte meinen Bachelor in Medien und Kommunikation machen. 

 

Doch mit den Menschen habe ich mich von Anfang an enorm schwer getan - und das hat sich in den drei Jahren dort auch nicht geändert. Es ist schon erstaunlich, man sagt ja allgemein, dass die Norweger eher ruhig und verschlossen seien und die Bayern Frohnatur und offen.

 

Ich habe das zu keinem Zeitpunkt so erlebt. In Norwegen war vieles anders und fremd, aber ich wurde immer inkludiert, ob ich wollte oder nicht. In Passau habe ich mich von Tag 1 an ausgeschlossen gefühlt. Ich war, wie viele Studierenden, eine Fremde, die nur Krach und Ärger in die ruhige Kleinstadt mit der hübschen Altstadt bringt. Und so wurde ich von Beginn an behandelt. Zumindest war das mein Eindruck.

 

Am Tag meines Umzugs, als ich mit voll bepacktem Auto in Passau ankam, habe ich zuerst an einer Bäckerei Halt gemacht. Ich bestellte zwei belegte Brötchen. "Semmeln heißt das hier!", fauchte mich die Frau an. Einmal fuhr ich mit dem Rad in der Innenstadt - in der Fußgängerzone, in der das Radeln erlaubt war. Eine Frau schlug aus dem Nichts mit dem Regenschirm nach mir: "Scheiß Studenten!", brüllte sie dabei.  

 

Das waren die prägendsten Momente, in denen ich in Passau eine tiefe Ablehnung gespürt habe. Aber es waren nicht die einzigen. Studenten gegen Einheimische, so war das irgendwie bei allem. 

 

Aber auch an der Uni selbst habe ich mich fremd gefühlt. Ich bin ein klassisches Arbeiterkind. In meiner Familie hat niemand Abitur. Ich bin die erste, die ins Ausland gezogen ist, die erste, die aus dem Dorf wegging und die erste, die studieren wollte (- was mich übrigens auch zu einer Fremden in Teilen meiner Familie machte). Um mich herum hatte ich plötzlich aber nur noch Menschen, die aus super privilegierten Familien kamen, deren Eltern Professoren, Lehrer oder Manager waren, die Firmen leiteten oder als Gründer Erfolg hatten. Alle Eltern sprachen mindestens Englisch fließend - in meiner Familie sprach keiner außer mir eine Fremdsprache.  Meine Kommilitonen schickten ihre Hausarbeiten und Tests zum Korrekturlesen an ihre Eltern. Sie konnten über viele politische und geschichtliche Dinge reden, sie lasen intellektuelle Bücher und gingen in Museen. Das kannte ich alles nicht. Bei uns daheim gab es RTL, Bild und das war es. Als Kind habe ich Bücher geschenkt bekommen und wir machten mal Ausflüge ins Technikmuseum, aber mehr kannte ich nicht.

 

Und nun sollte ich in dieser Bildungselite zurecht kommen und meinen Platz finden. Auch wenn meine Kommilitonen das nicht oft thematisiert haben, so kam schon hin und wieder, etwa bei Spielen, heraus, dass sie mich für die Dümmste in der Runde hielten. Die Ungebildete. Die, die sich in diesem Umfeld erst noch einleben und akklimatisieren muss. Vielleicht ist es auch deshalb kein Wunder, dass ich heute - anders als viele andere - zu keinem aus meiner Studienzeit noch Kontakt habe.


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Mein größter Kulturschock: Die Ungleichheit in Kenia

Die Armut in Kenia ist groß. Der Reichtum allerdings auch. Das Geld verteilt sich nur noch schlechter als andernorts auf der Welt. Denn während die große Mehrheit wenig Geld hat, haben einige ausreichend, um zur Mittelschicht zu gehören und wenige Millionen. 

 

Kürzlich habe ich an einer Schule einen Vortrag über das Leben in einem Entwicklungsland gehalten. Es ging vor allem um diese Ungleichheit - um die 8-Quadratmeter-Wellblechhütten, in denen acht Menschen leben und um die Villen mit Pools, Personal und Gästezimmern. Es ging um die riesigen Shoppingmalls und Elite-Schulen und um die kleinen Bretterbuden, in denen Obst verkauft wird und Schulen, in denen es kein fließend Wasser gibt. 

 

Ich wusste, dass es in Subsahara-Afrika und auch in Kenia auch reiche Menschen gibt. Ich hatte diese Unterschiede bereits Jahre zuvor in Südafrika erlebt (wo 40.000 der 80.000 Millionäre Subsahara-Afrikas leben). Aber in Kenia hat sie mich einfach erschlagen. Diese Kontraste zwischen arm und reich, das teilweise Wegsehen der Reichen, die Verachtung, die man teilweise füreinander empfindet. Das fiel mir übrigens nicht bei meiner ersten Kenia-Reise 2015 auf, sondern erst 2017, als ich für etwas mehr als drei Monate in Kenia war. 

 

Ich erinnere mich an einen Tag. 13. Januar 2017, ich war damals etwa eine Woche im Land. Ein bekannter Pilot kam nach Kenia und wollte sein Patenkind daheim besuchen, das ich in der Schule unterrichtete. Ich kam also mit, denn es hilft enorm zu wissen, in welchen Umständen und Realitäten die Kinder leben, um sie zu verstehen und besser mit ihnen zu arbeiten. 

 

Wir besuchten die Familie zu Hause. Es war eine etwa acht Quadratmeter große Wellblechhütte auf einem kleinen Stück Land. Sie bauten vor dem Haus ein wenig Obst und Gemüse an. Die Kochstelle war draußen, denn in der Hütte wäre es lebensgefährlich, Feuer zu machen.

 

In der Hütte: Ein Bett, in dem die Mutter und ihre zwei jüngsten Kinder, 4 und 6 Jahre alt, schliefen. Die Tochter, 15, schlief auf einem kleinen Zweisitzer-Sofa. Die beiden älteren Jungs, 9 und 13 (eigentlich der Neffe der Mutter, aber ihre Schwester starb an Aids und sie nahm ihn auf) rollten jeden Abend auf dem Boden zwei Isomatten auf und schliefen darauf. Es gab keinen Strom - wenn es zwischen 18 und 19 Uhr dunkel wird, war der Tag vorbei.

 

Es gab einen Wasserhahn draußen, den sich die rund 20 Hütten des Blocks teilten. In einem kleinen Wellblech-Verschlag war ein Loch im Boden, die Toilette. Und der Raum wurde auch als Dusche genutzt. Sie füllten ihre Eimer mit Wasser, trugen sie dorthin und wuschen sich damit. Die Mama hatte keinen festen Job, sie ging jeden Tag raus und bot an, bei Familien (oder in der nahe gelegenen Universität) zu kochen oder zu putzen und verdiente damit ein bisschen was. Manchmal reichte es nicht für den Schulbus der Kinder, dann stellte sie sich an den Rand der Hauptstraße und hielt Autos an - in der Hoffnung, dass ihre Söhne gut ankommen würden. 

 

Nach dem Besuch in der Nähe von Limuru fuhr ich mit dem Piloten zurück in die Hauptstadt Nairobi, wo ein weiterer Bekannter mich erwartete, ein deutscher Arzt, der mehrere Monate im Jahr kostenlos arme Menschen in Kenia behandelt und mit dem ich seit meinem ersten Besuch in Kenia 2015 befreundet bin. Wenn er in Kenia ist, lebt er bei einem befreundeten Kenianer, der zur Oberschicht gehört. Kein Millionär, aber eine große Stadtvilla mit einem extra Gästehaus und einem Gästezimmer mit eigenem Bad. Das Ehepaar, er Unternehmer, sie Professorin, hat mehrere Angestellte und fährt zwei Autos.

 

Gemeinsam mit dem Unternehmer besuchten wir den Muthaiga Country Club in Nairobi, in dem er Mitglied ist. Die Mitgliedschaft kostet 5400 Euro, dafür darf er Golf- und Tennisplätze nutzen und am Pool entspannen. Getränke und Speisen kosten natürlich extra und von dem, was eine Cola hier kostet, könnte die Familie, die ich vormittags besucht habe, ein paar Tage leben. In den Muthaiga Country Club dürfen nur Mitglieder und deren Gäste - insofern das Mitglied mindestens drei Jahre aktiv ist.

 

Ich wurde eingeladen (zu Hause wurde ich bei Kenianern immer eingeladen, bei einem gemeinsamen Bar- oder Restaurantbesuch wurde aber in der Regel erwartet, dass ich bezahle - allerdings hänge ich normalerweise auch nicht mit Superreichen ab). Nach dem Besuch im Club, in dem aufgrund der Exklusivität nicht fotografiert werden darf (mein Name steht jetzt dort im Gästebuch, das ist der einzige Beweis meiner Anwesenheit dort ;-)), luden mit der Unternehmer und seine Frau ein, bei ihnen zu übernachten. Leckeres Frühstück inklusive.

 

Es sind zwei Welten, die ich da innerhalb von wenigen Stunden kennengelernt habe. Hier eine Familie, die nicht weiß, wie sie Strom, Miete (20 Euro kostet die Wellblechhütte im Monat) und Schulbus bezahlen soll und dort die Familie, die alleine für die Mitgliedschaft in einen Nobel-Club 5400 Euro ausgibt. 

 

Diese Welten sind Realität in Kenia und auch wenn die Geschichten der jeweiligen Menschen komplett verschieden sind und klingen, als würde man von verschiedenen Ländern sprechen, so passiert das alles quasi in Nachbarschaft. Dort, wo der Unternehmer wohnt, stehen die Stadtvillen. Genau wie dort, wo eine meiner besten Freundinnen in Nairobi wohnt, die bei der Deutschen Botschaft arbeitet.

 

Aber nebenan, fußläufig erreichbar, lebt das Personal in heruntergekommenen Hütten und Slums. Das bisschen Geld, das sie verdienen, reicht noch nicht, in die Mittelschicht aufzusteigen und sich eine Wohnung in einem betonierten Haus zu leisten.

 

Ich weiß, dass es diese Schere zwischen arm und reich gibt und dass sie in sogenannten Entwicklungsländern viel größer ist als bei uns in Europa. Dennoch überfordert mich das hin und wieder - auch heute noch. Es macht mich wütend, dass der Reichtum der Welt so ungerecht verteilt ist.  Ich fühle mich hilflos und ohnmächtig, denn auch mir ist klar, dass Leute wie besagter Unternehmer Recht haben, wenn er sagt, dass er nicht allen helfen kann. 


Mein jüngster Kulturschock: Vier Monate in Ghana

Obwohl ich euch nun schon von einigen Kulturschocks berichtet habe, will ich noch an einen weiteren erinnern. Wer meinen Blog etwas verfolgt, weiß, dass ich mit Ghana sehr stark gefremdelt habe. Was ein wenig merkwürdig ist, weil ich mich nahezu in allen anderen Ländern Subsahara-Afrikas generell wohl gefühlt habe (übrigens auch in Kenia, wenn mich die Arm-Reich-Schere gerade nicht überfordert). 

 

Was war in Ghana anders? Es waren zum einen die Menschen. Ich wurde noch nie so häufig angebettelt und von Männern bedrängt wie in Ghana. Ich ging einfach auf der Straße und wurde von wildfremden nach Essen oder Getränken gefragt. Beziehungsweise nicht wirklich gefragt, es hieß meistens "Give me...". Eine Freundin beschrieb das, als würden wir Weiße generell als "Walking ATM" wahrgenommen und so habe ich mich oft gefühlt. Dazu die aufdringlichen Männer, die ein Nein nahezu nie akzeptieren wollten und mir hinterher liefen oder einfach nicht locker ließen. Das war wahnsinnig befremdlich für mich. 

 

Ein zweiter Punkt, der mich so hat fremden lassen, war der Müll. Überall lag Müll herum. Am Strand, im Meer, an jeder Straßenecke. Die Menschen pinkelten in Abwasser-Rillen am Straßenrand und ließen einfach alles fallen, wo sie gerade waren. Ich habe schon viele zugemüllte Orte in Kenia (vor dem Plastikverbot) und auch in Südafrika gesehen, aber nie in diesem Ausmaß. Das war grauenvoll. Man konnte keinen Schritt gehen, ohne auf ein Stück Plastik zu treten. Das hat mich wütend und traurig gemacht. Wieso ist es Menschen so egal, wie ihr Umfeld aussieht? Klar, es gibt keine Müllabfuhr wie bei uns, beziehungsweise ist sie so teuer, dass sich viele das nicht leisten können. Dennoch: Ich habe einfach weitestgehend überhaupt kein Bewusstsein für die Müll-Problematik wahrgenommen - und das hat mir das Gefühl von absolutem Unwohlsein gegeben. 

 

Über all die Erfahrungen - und den großen Kulturschock in Ghana generell, habe ich nach meinem viermonatigen Aufenthalt in einem Fazit niedergeschrieben.


Hattest du auf einer Reise schon einmal einen Kulturschock? Erzähl mir gerne davon in den Kommentaren!

Du möchtest mir etwas zu dem Artikel sagen? Du hast eigene Gedanken und Anregungen, oder auch Kritik, die du einbringen möchtest? Ich freue mich über deinen Kommentar.


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Kommentare: 18
  • #1

    Anja (Montag, 01 März 2021)

    Liebe Miriam,
    toll, dass du dich als Reisebloggerin dem Thema "Kulturschock" widmest. Denn in den allermeisten Fällen ist die Fremde im Urlaub und auf Reisen ja gewünscht und gerade das Spannende.
    Dass du dich während deiner Zeit in Norwegen überfordert gefühlt hast, kann ich bei dem Pensum an Aktivitäten, die du aufzählst, gut nachempfinden - das wäre mir auch definitiv viel zu viel. Ich bin der Meinung, dass besonders Kinder neben Kita und Schule auch Zeit benötigen, in der mal "nichts" stattfindet - zum entspannen, ausruhen, kreativ sein, langweilen, Spiele erfinden ...

    Meinen ersten und bisher einzigen Kulturschock hatte ich in den ersten Wochen meines Studium sin Brasilien. Die Sprache hatte ich zwar bereits in einem Kurs "gelernt", aber sie zu sprechen und damit den Alltag zu bewältigen, ist etwas ganz anderes - ich fühlte mich unverstanden, ich verstand nichts, ich fühlte mich unwohl fremd. Zum Glück hat sich das schnell gelegt.
    Herzlichen Gruß
    Anja von STADT LAND WELTentdecker

  • #2

    Viewofmylife (Montag, 01 März 2021 09:13)

    Liebe Miriam,
    zum Glück hatte ich noch keinen Kulturschock, da ich nie alleine reise oder auch noch nie war außerhalb Europas. Ich bin dafür einfach zu feige. Und ich teile meine Eindrücke einfach so gern mit meinem Mann. Liebe Grüße Claudia

  • #3

    Nordkap nach Südkap (Montag, 01 März 2021 14:53)

    Liebe Claudia,
    Beim Kulturschock ist es unerheblich, ob man alleine, zu zweit oder in einer großen Gruppe unterwegs ist. Es geht lediglich um das Gefühl, auf unangenehme Art fremd am jeweils anderen Ort zu sein.
    Liebe Grüße von Miriam

  • #4

    Saskia Katharina Most (Montag, 01 März 2021 15:05)

    Einen Kulturschock hatte ich noch nie. Woher auch? Ich war bis jetzt nur in Italien Büsum und Leogang im Urlaub. Natürlich, auch ein paar Tagestrips in andere Städte wie zum Beispiel in Dresden dazu. Obwohl wir uns dort auch sehr viel angesehen haben, hatte ich aber nie einen Kulturschock. Ich stelle mir das aber ganz schön überfordern vor.
    Liebe Grüße, Saskia Katharina

  • #5

    Julia (Montag, 01 März 2021 16:03)

    Hallo Miriam,

    schwer zu lesen. Aber nicht wegen dem Lesen oder was falschen, sondern wegen dem, was man in der Welt erlebt hat. Vor allem dieser Hass als Studentin. Das fand ich heftig. Aber auch dieser Abstand zwischen reich und arm. Leider findet man keine Lösung das man was ändern kann. Wenn das Land anfangen würde, könnte man helfen. Aber vielleicht ist das auch nur ein Gedanke von mir. Danke für den Einblick der nicht leicht war,

    Liebe Grüße
    Julia

  • #6

    Jana (Montag, 01 März 2021 19:27)

    Hallo Miriam, da haben wir ja einiges gemeinsam, ich bin auch ein klassisches Arbeiterkind, die erste mit Abitur und bisher auch die einzige, die studiert hat! Meine Tochter wird mir nacheifern, aber aus meiner Familie (Cousins, Cousinen) war ich bis jetzt die einzige! Meine Eltern sprechen auch keine Fremdsprachen, was immer meine Lieblingsfächer waren, kein Wunder, dass ich einen Job gewählt habe, der mit Sprache an sich zu tun hat! Aber zum Thema Kulturschock, ich überlege gerade schon die ganze Zeit und mir fällt kein Reiseziel ein, bei dem ich mich besonders fremd gefühlt habe. Wir waren bisher aber auch "nur" in Europa unterwegs und ich musste in Norwegen auch keine unbekannten Tiere verspeisen! In den Hotels gab es eher typisch deutsches Essen, ein bisschen mehr Fisch als sonst, aber nichts Unbekanntes! Trotzdem ein schöner Beitrag und eine interessante Blogparade!

    Liebe Grüße
    Jana

  • #7

    Karin (Montag, 01 März 2021 19:35)

    Ich kann mir vorstellen, dass der Wechsel zwischen den Welten in Kenia schon sehr krass war und einem zu denken gibt. Und deine Erlebnisse auf der Straße in Ghana hören sich auch nicht sehr einladend an. Sowas kenne ich nur aus Marokko und Ägypten, das empfand ich auch als sehr störend. Sicherlich ist das aber nur in den größeren Städten so, wo sie an Ausländer "gewöhnt" sind uns sich ihr eigenes Bild über sie gemacht haben.

  • #8

    Tanja L. (Montag, 01 März 2021 20:44)

    Puh, diese krassen Unterschiede zwischen arm und reich haben wir damals in der Türkei erlebt. Der Lehrer der Kinder unserer Freunde hat uns eingeladen. Er wurde nur bezahlt, wenn Schule war, nicht aber in den langen Monaten der Ferien. Er lebte auch sehr ärmlich mit seiner Familie.

    Japan war auch krass, aber irgendwie positiv. Ich habe ja ein wenig die Sprache gesprochen. Das Land, die Leute, die Sprache, Essen, alles war so anders. Aber Heimweh hatte ich so gut wie nie.

    Schlimmer war dann der Umzug nach Weinstadt. Es ist schwer hier anzukommen. Auch nach fast 7 Jahren. Ich habe zwar mittlerweile Freunde gefunden. Aber insgesamt war der Kulturschock und das Gefühl, fremd zu sein, viel stärker als in Japan. Dort haben die Studenten und später Arbeitskollegen sich viel Mühe gegeben. Hier interessiert sich niemand für die hinzugezogenen. ZUm Glück habe ich über den Taekwondo-Verein endlich Anschluss gefunden und fühle mich mittlerweile doch recht wohl hier. Das hat aber gute 5 Jahre gedauert...

  • #9

    Ulrike (Dienstag, 02 März 2021 08:15)

    Liebe Karin, das sind interessante spannende Geschichten. Ich habe den Kulturschock unterwegs nie so krass erfahren. Mir war einfach klar, dass es anders war als Zuhause. Dafür hat mich meine Rückkehr nach 18 Monaten Backpacking in Asien völlig umgehauen. Da schien mir meine eigene Heimat völlig fremd. Das hatte ich nicht erwartet, darauf war ich nicht vorbereitet. Kannst Du hier nachlesen https://www.bambooblog.de/199192-epilog-kulturschock/
    Liebe Grüße
    Ulrike

  • #10

    Alexandra Sefrin (Freitag, 05 März 2021 23:36)

    Liebe Miriam,
    ich überlege gerade, welcher Schock der schockierenste ist. Jeder für sich genommen ist schon eine heftige Erfahrung, aber ich glaube im eigenen Land so fremd zu sein, ist ein sehr bitteres Erlebnis.
    Wie schön, dass all das Erlebte Dich nicht am Reisen abgehalten hat.
    Liebe Grüße

    Alex

  • #11

    Sabrina Bechtold (Sonntag, 07 März 2021 21:12)

    Kulturschock, ein spannendes Thema, das unbedingt mit dem Reisebüro verbunden ist. Ich kenne diesen ganz extrem von meiner Indienreise. Gerade die soziale Ungleichheit hat mir dort auch mehr als einmal Magenschmerzen bereitet. Gerade noch einen Bettler ohne Arme und Beine gesehen, dann im 4 Sterne-Touri-Hotel leckeres essen. Das war ganz ganz harter Tobak! Und noch soooo viele andere Situationen, an denen ich stark zu knabbern hatte.

    Grüße,
    Sabrina

  • #12

    Simone (Montag, 08 März 2021 19:54)

    Hallo, so krasse Erlebnisse hatte ich bisher noch nicht. Und ich hoffe, dass dich diese Kulturschocks haben wachsen lassen, wobei das bestimmt in der Situation nicht einfach ist. Viele Grüße Simone

  • #13

    DieReiseEule (Montag, 08 März 2021 19:55)

    Hallo Miriam,

    eine ganze Sammlung an Kulturschocks. Oha. Kann ich nachvollziehen. Die Ungleichheit in Kenia - das macht so traurig.
    Meinen ersten Kulturschock hatte ich beim Schüleraustausch in Frankreich. Und später in Paris. Das ist einfach nicht mein Gebiet. Das war auch das einzige Mal im Leben, wo ich Heimweh hatte.

    LG Liane

  • #14

    Elke (Montag, 08 März 2021 20:24)

    Liebe Miriam, ein toller Artikel! Ich hatte auch schon einige Kulturschocks – der erste, als ich von einem Dorf in NRW zum Studium nach München zog. Mir ging es ganz ähnlich wie dir in Passau! Es muss also gar nicht immer die Begegnung mit exotischen Kulturen sein, die uns irritiert und verunsichert. Liebe Grüße, Elke

  • #15

    Barbara / Reisepsycho (Montag, 08 März 2021 21:51)

    Ein ganz wichtiges Thema, das du da ansprichst. Denn was wäre das Reisen, ohne das Gefühl der Befremdlichkeit?
    Ich glaube, meinen größten Kulturschock hatte ich in St. Vincent und den Grenadinen in der Karibik. Zum einen sah es schrecklich vermüllt aus, arme Leute warteten in der prallen Sonne vor einem kleinen Haus auf den Arzt und Touristen wurden generell als Melkkuh angesehen. Ich habe mich so unwohl gefühlt.
    Auch in Italien hab ich regelmäßig Kulturschocks, die aber oft positiver Natur sind. Gewisse Dinge werden da so anders angegangen als bei uns, und nicht immer schlechter ;-)
    LG Barbara

  • #16

    Linni (Dienstag, 09 März 2021 01:37)

    Moin,

    ich lebe seit 2015 in Peking - muss ich mehr zum Thema Kulturschock sagen? ;)
    In den letzten Heimaturlauben hat sich Deutschland für mich immer fremder angefühlt, Kulturschock light....

    Ebenfalls ein Kulturschock "light": In Australien. Ein Land, mit dem ich Wild- und Freiheit assoziiert hatte, hat gleichzeitig so viele Regeln, Vorschriften, Verbote? Das kam unerwartet.

    Erwartet habe ich die Armut in Kambodscha. Diese direkt zu erleben war dann aber doch heftig. Selbst zu sehen ist halt doch etwas anderes als sich etwas anzulesen.

    LG Linni

  • #17

    Julia (Dienstag, 09 März 2021 10:18)

    Hallo Miriam,
    das ist ein sehr interessanter, persönlicher Artikel. Vielen Dank für deine Einblicke zum Thema Kulturschock, die zeigen, dass man sich nicht nur in der Fremde fremd fühlt. Gerade der Abschnitt über Passau hat mich sehr berührt, so etwas habe ich noch nicht erlebt, sehr schade!
    Mein erster richtiger Kulturschock war meine erste Asienreise nach Sri Lanka. Als wir im Bus vom Flughafen zum Hotel saßen und ich das Chaos und die Armut am Straßenrand sah, dachte, ich: Okay, ich verkrümle mich eine Woche im Hotelzimmer und gehe niemals da raus! :D Hinterher fand ich es großartig!
    LG, Julia

  • #18

    Katrin Haberstock (Montag, 15 März 2021 13:38)

    Wie sagt man so schön: Andere Länder andere Sitten.
    In diesem Fall sehr passend. Du hast es erlebt. Danke das du uns daran hast teilhaben lassen.

    Liebe Grüße
    Katrin