Teilen lernen - die negativen Folgen der Entwicklungshilfe

Manchmal ist es ziemlich simpel, ein Verhalten zu durchschauen, wenn man nur eine Weile hinschaut. So geht es mir inzwischen hier in Kenia, vor allem im Bezug auf die Kinder. Es fing damit an, dass ich mich wunderte über die Portionen, die jedes Kind jeden Tag verdrückt. Sie essen gut das drei- bis fünffache von mir, als gäbe es kein Morgen mehr. Aber bei ihnen gab es im Leben eben schon Situationen, als es "morgen" tatsächlich kein Essen mehr gab.


Nicht nur beim Essen haben die Kinder oft Angst, zu kurz zu kommen. Man merkt es auch beim Spielen. Sie sind sehr schlecht im Teilen, meistens bestimmen die Älteren oder Stärkeren. Wenn es etwas gibt, will es jeder haben - wer weiß, wann es wieder etwas Schönes gibt. Leider geht bei diesen Krangeleien viel kaputt. Man gibt einem kleinen Kind etwas, in einem unbeobachteten Moment kommt ein größeres und reißt es ihm aus der Hand und schwupps ist es kaputt. Das ist leider bei vielen Sachen so und es ist schwierig, den Kindern beizubringen, mehr auf die Sachen zu achten.

 

Die Hierarchien unter den Kindern sind streng - in allem. So wie sie es aus der Schule, aus dem Elternhaus, aus dem Heim kennen, wird geschlagen und getreten, wenn etwas nicht nach ihrem Willen läuft. Die Jungen nehmen das widerstandslos hin, gewehrt wird sich nicht. Auch das kriegen die Kinder schnell antrainiert.

 

Bislang hat es meistens sehr gut funktioniert, dass abends alle Spiel- und Sportsachen, die ich mitgebracht habe, wieder bei mir gelandet sind. An einem Tag war es nicht der Fall und ich habe alle Bälle, Sprungseile etc. einkassiert. Am nächsten Morgen waren die fehlenden Sachen wieder da. Das ist ein Lernprozess - auch, dass ich manchmal sage, dass ich jetzt eben mit einem jüngeren Kind Federball spiele und das ältere warten muss. Sie kennen es nicht, aber ich denke, es ist durchaus Zeit, dass sie es lernen!

 

Ohnehin merkt man in vielen Dingen, dass die Kids es nicht gewohnt sind, zu spielen. Also nach Regeln oder ähnlichem. Mit den Fünf- und Sechsjährigen habe ich versucht, ein Wettrennen zu machen, in dem sie einen Federball (mit Stein beschwert) auf einem Federballschläger transportieren sollten, a la Eierlauf nur in handlicher. Sie haben es einfach nicht hinbekommen. Sie haben weder verstanden, dass sie wirklich rennen sollen, noch, dass sie bis zur Linie laufen sollen, noch dass sie den Schläger dann an den nächsten übergeben sollen. Auch einfachste Kartenspiele verstehen die Teenager (wir reden von Zwölf- bis Fünfzehnjährigen!) nicht - sie wollten gerne Phase 10 lernen, aber nach zwei Stunden habe ich aufgegeben, als sie immer noch nicht verstanden hatten, was sie in Phase 1 tun sollen.

 

Geduld ist gefragt und ich muss mein Programm ein wenig umstellen. Die Kids hier sind einfach schlicht auf Lernen gepolt. Um 4 Uhr fängt der Tag mit Lernen an, um 20.15 Uhr hört er auf. Sowas wie spielen ist Zeitverschwendung, so wird es ihnen beigebracht. Und nun kommt ausgerechnet die Deutsche, wo die Deutschen doch als so fleißig und diszipliniert und ehrgeizig und gebildet und und und gelten, und will mit den Kindern Spiele spielen. Aber vielleicht bewirkt es ja nur ein klein bisschen - und wenn es nur ist, dass die Kinder sehen, dass es erlaubt ist, Spaß zu haben. Und dass sich nicht das ganze Leben nur um Schule und Lernen dreht.




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Kommentare: 1
  • #1

    Julia (Donnerstag, 08 Oktober 2020 22:50)

    Es ist eine andere Welt zu unserer aber man kann die Regeln verstehen. Irgendwann macht der kleinste das auch, wenn er groß ist. Es ist aber eine schöne Sache das du da bist und was tust, Das erlebte kann einen beeinflussen.

    Liebe Grüße
    Julia