Dass es im hohen Norden im Winter nicht hell wird, ist weitestgehend bekannt. Doch nebst der Polarnacht, in der der Tourismus mit den Nordlichtern boomt, gibt es auch den Polartag. Am Polartag scheint die sogenannte Mitternachtssonne und es ist 24 Stunden am Tag hell. Morgens 9 Uhr, mittags 16 Uhr oder abends 23 Uhr - das macht keinen Unterschied. Die Mitternachtssonne ermöglicht Reisenden, ihre Aktivitäten und das Sightseeing auf 24 Stunden zu verteilen. Das Licht und die Stimmung mitten in der hellen Nacht können ganz besonders sein. Doch die Magie hat auch eine Kehrseite: Das Einschlafen kann zum Problem werden, wenn es nie richtig dunkel wird.
Hinweis in eigener Sache: Die Reisen nach Grönland und Spitzbergen waren Pressereisen, die ich in meiner Rolle als Journalistin wahrgenommen habe. In Grönland wurden Flüge, Unterkunft, Verpflegung und die meisten Aktivitäten von Realdania und Visit Greenland finanziert, in Spitzbergen von VisitSvalbard. Verpflichtungen waren an die Reisen nicht gebunden. |
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Mitternachtssonne: Was ist das eigentlich?
Mitternachtssonne - Sonne, die um Mitternacht scheint? Das auch, allerdings handelt es sich bei der Mitternachtssonne um das Phänomen, dass die Sonne 24 Stunden lang über dem Horizont zu sehen ist - die Sonne also immer scheint (insofern sie nicht von Wolken verdeckt wird).
Die Mitternachtssonne ist also den ganzen Tag über zu sehen, traditionell versteht man darunter aber, dass es in den Nachtstunden nicht dunkel wird.
Die Zeit der Mitternachtssonne nennt man auch Polartag und sie ist damit das Gegenstück zur Polarnacht, in der die Sonne es nicht über den Horizont schafft. In der Polarnacht wird es nicht hell (wobei es durchaus Dämmerung geben kann, je nachdem, wo man sich befindet).
Der Begriff Mitternachtssonne ist allerdings etwas irreführend, denn es ist nicht so, dass die Sonne um Mitternacht am tiefsten steht - je nach Längengrad, Zeitzone und ob es eine Sommerzeit gibt, variiert die Zeit, zu der die Sonne am tiefsten steht. Ursprünglich ist der Begriff angelehnt daran, dass die Sonne um Mitternacht noch über dem Horizont zu sehen ist.
Anders verhält es sich mitunter am Polarkreis (auch abhängig von der Zeitzone). Denn wenn du direkt auf der geografischen Linie des Polarkreises stehst, geht die Sonne am Tag der Sonnenwende (Nordpolarkreis: 21. Juni, Südpolarkreis: 21. Dezember) - und nur an diesem einen Tag - nicht unter. Die Sonne berührt dann gegen Mitternacht den Horizont, ehe sie wieder aufsteigt.
Reisen zur Mitternachtssonne: Hier kannst du sie sehen
Die Mitternachtssonne ist in einigen Gebieten weltweit zu sehen: Am Südpolarkreis und südlich davon - bis zum Südpol. Sowie am Nordpolarkreis und nördlich davon - bis zum Nordpol. Kurz gesagt: Die Mitternachtssonne siehst du zwischen Polarkreis und Nordpol und zwischen Polarkreis und Südpol.
Direkt auf dem Polarkreis gibt es die Mitternachtssonne nur einmal im Jahr zu sehen, am Tag der Sonnenwende. Je näher du an Nordpol und Südpol kommst, desto mehr Tage mit Mitternachtssonne gibt es. Am Nordpol und am Südpol gibt es jeweils ein halbes Jahr lang die Mitternachtssonen (und ein halbes Jahr Polarnacht).
Die Mitternachtssonne gibt es in der deutschen Sommerzeit im nördlichen Polarkreis, im Winter im südlichen Polarkreis. Allerdings werden die meisten Reisenden die Mitternachtssonne wohl eher im Nordpolarkreis sehen, denn es gibt zahlreiche Orte in den USA (Alaska), Kanada, Grönland, Norwegen, Russland (Sibirien), Finnland und Schweden die innerhalb des Nordpolarkreises liegen.
Reisende aus Deutschland können sogar mit dem Zug zur Mitternachtssonne fahren, denn Städte wie Rovaniemi in Finnland, Bodø in Norwegen oder Kiruna in Schweden sind ans jeweilige Zugnetz angebunden.
Wer allerdings eine Antarktis-Reise macht, der kann im deutschen Winter auch dort die Mitternachtssonne sehen. Da die Antarktis allerdings so riesig ist und keines der Länder südlich des Äquators, etwa Südafrika, Argentinien oder Australien den Südpolarkreis berührt, ist eine Reise in die Antarktis tatsächlich die einzige Möglichkeit, die südliche Mitternachtssonne zu sehen.
Reisen in der Arktis: Schlafmangel dank Mitternachtssonne
Oft denkt man, dass die dunklen Tage ein Problem für die Psyche des Menschen sind. Das stimmt auch, es kann natürlich trist sein, wenn es nie hell wird. Aber das Gegenteil kann auch kirre machen, wenn es einfach nie dunkel wird! In Grönland beispielsweise ist die Suizid-Rate im Sommer viel höher als im Winter - weil die Menschen unter Schlafmangel wegen der Mitternachtssonne leiden.
Ich habe die Mitternachtssonne zweimal erlebt bisher. Das erste Mal war bei meiner Reise nach Spitzbergen. Meistens konnte ich dort gut schlafen, was auch daran lag, dass es häufig bewölkt war. Durch das Grau draußen war es nicht so schwierig, abends zur Ruhe zu finden und dem Körper zu signalisieren, dass nun Schlafenszeit ist. Einmal bin ich nachts aufgewacht, in der zweiten Nacht, weil gegen 3 Uhr ein Sonnenstrahl durch den Vorhang kam und genau mein Gesicht getroffen hat. Das ließ sich aber zum Glück schnell beheben und ich konnte direkt weiterschlafen.
Bei meiner Reise nach Grönland war die Mitternachtssonne aber definitiv eine große Herausforderung für mich. Mein Hotelzimmer in Ilulissat hatte eine Panoramafront zum Meer hin, damit man immer Eisberge (und mit etwas Glück sogar Wale) sehen konnte. Doch genau dort stand nachts auch die Sonne und scheinte erbarmungslos durch die riesige Fensterfront direkt in mein Bett. Anders als auf Spitzbergen war es in Grönland bis auf eine Nacht immer sonnig und enorm hell.
Mein Körper hat, auch durch 24-Stunden-Wachsein am Tag der Anreise und die Zeitverschiebung von vier Stunden, überhaupt nicht mehr kapiert, wann er müde war und durchhalten musste und wann er müde war und schlafen sollte.d Ich kam quasi nie in die Stimmung, wo man abends zur Ruhe kommt und sich langsam auf das Zubettgehen vorbereitet.
Dazu kam, dass die Panoramafront nur mit Vorhängen verhüllt werden konnte, die weder ganz dicht waren, noch die Ränder erreicht haben. Es war im Zimmer also weitestgehend hell. Ich schlafe am liebsten auf meiner rechten Seite - damit zeigte mein Gesicht genau gegen die Sonne. Also musste eine neue Schlafposition her. Nur eine Nacht hat das echt gut funktioniert - als es in der zweiten Nacht bewölkt war und die Sonne nicht direkt gegen das Fenster geknallt hat.
Arktis-Reisen: Aktivitäten während der Mitternachtssonne
Ein Faktor, der in Grönland zur Verwirrung meines Körpers beigetragen hat: Wir haben die Mitternachtssonne wirklich genutzt. Theoretisch ist das bei Reisen natürlich super: Man hat plötzlich 24 Stunden am Tag Zeit, um Sehenswürdigkeiten zu erkunden, wandern zu gehen, die Natur zu genießen. Es gibt quasi kein Zeitlimit.
Bei einer Reise zur Mitternachtssonne kannst du nachts quasi alles unternehmen, was du tagsüber auch unternehmen kannst. Shopping, Restaurantbesuche und Museumsbesuche sind eher schwierig, weil die meisten Betriebszeiten tagsüber (oder abends) sind, nicht nachts. Aber wandern kannst du beispielsweise die gesamte Zeit über, weil es um Mitternacht oder 3 Uhr nicht dunkler ist als um 9 oder 19 Uhr. Zudem gibt es viele Aktivitäten, die speziell nachts angeboten werden, damit Touristinnen und Touristen den Zauber der Mitternachtssonne spüren können, etwa Midsun-Sailing-Cruises, Midsun-Kajaking, Midsun-Dog-Sledding.
Auf Spitzbergen habe ich nachts geschlafen und war abends maximal in einer Bar was trinken. Das trug dazu bei, dass ich eher zur Ruhe gekommen bin.
In Grönland waren zwei der vier Abende für Aktivitäten verplant. An einem Abend bin ich um 20.30 Uhr Kajaken gegangen. Ich unternahm eine organisierte Tour bei World of Greenland (die regulär 180 Euro kostet, also unfassbar teuer - auch mit Presserabatt habe ich lange überlegt, ob mir drei Stunden Kajaken 120 Euro wert ist...).
Wir saßen in Doppelsitzern und fuhren auf dem Meer zum Ilulissat Eisfjord und von dort an den Eisbergen entlang. Es war schon faszinierend, die Eisberge noch einmal aus neuer Perspektive und einer anderen Distanz zu sehen.
Allerdings muss ich auch sagen: Das Erlebnis ist schon enorm teuer - die Anbieter setzen wohl darauf, dass man bei einem "Once in a lifetime"-Trip auch mal mehr Geld für solch ein Abenteuer zahlt.
Am letzten Abend in Grönland haben wir eine Midnight Sailing Cruise gemacht. Wir sind gegen 21 Uhr mit dem Boot rausgefahren, von Ilulissat zum Eisfjord, und sind dann im Eisfjord rumgeschippert. Es gab an Bord Gin, gekühlt mit frisch gefangenem Eis aus dem Eisfjord.
Das Erlebnis war schon enorm toll. Da wir eine größere Reisegruppe waren, hatten wir unser eigenes kleines Boot, das für 12 Personen plus zwei Crew-Mitglieder ausgelegt war. Eine Mitarbeiterin kümmerte sich um die Drinks und erzählte zudem mehr über den Eisfjord und die Bedrohung durch den Klimawandel - die meiste Zeit hatten wir aber für uns. Es gibt aber auch öffentliche Touri-Boote, für die man sich einfach ein Ticket kaufen kann.
Die Fahrt durch den Eisfjord ist einfach immer mega faszinierend, aber das Licht und die Stimmung so spät am Abend waren schon ganz speziell. Es war durchweg magisch und ich konnte sofort verstehen, warum es Menschen gibt, die unbedingt einmal den Zauber der Mitternachtssonne erleben wollen. Das Licht ist einfach ganz besonders und es wirkte alles so friedlich und ruhig - auch, weil zu dieser Zeit wirklich nur zwei, drei Ausflugsboote unterwegs waren, die auch zu unterschiedlichen Zeiten in Ilulissat starten, und sonst keine Fischerboote. Mit etwas Glück kann man auch Wale sehen, das war uns an diesem Abend allerdings nicht vergönnt.
Mein Fazit: Schlafen und Reisen zur Mitternachtssonne
So komplett kann ich die Begeisterung von Menschen nicht verstehen, unbedingt zur Mitternachtssonne reisen zu wollen. Aber klar, es ist durchaus faszinierend, wenn man 24 Stunden am Tag die Sonnenbrille benötigt.
Für mich war vor allem ein Moment magisch - als wir am späten Abend mit dem Boot durch den Eisfjord von Ilulissat geschippert sind - alleine, weil das Licht und die Stimmung so speziell war.
Die anderen Abende und Nächte auf Spitzbergen und in Grönland habe ich die Mitternachtssonne eher nebenbei wahrgenommen - oder sie hat mich um den Schlaf gebracht. Denn auch das gehört zur Wahrheit: Der Tag hat zur Mitternachtssonne zwar 24 Stunden, aber das mindert nicht das Schlafbedürfnis, das man als Mensch hat. Klar machen Touristinnen und Touristen auch Ausflüge mitten in der Nacht, aber sie sind eher selten - und man merkt es am nächsten Tag auch, wenn man nicht ordentlich ausgeschlafen ist.
Mein Fazit zum Schlafen während der Mitternachtssonne: Es kommt auf die Wolken an, auf die Dichte der Vorhänge oder Rollläden und darauf, in welche Richtung das Fenster zeigt. Für mich war die Mitternachtssonne auf Spitzbergen überhaupt kein Problem, in Grönland bin ich vor Müdigkeit fast wahnsinnig geworden. Wer gen Mitternachtssonne reist, sollte sich also bewusst sein, dass möglicherweise schlaflose Nächte warten. Wer empfindlich ist, packt am besten eine Schlafmaske in den Koffer, um ein bisschen Dunkelheit zu schaffen.
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Jana (Donnerstag, 28 Juli 2022 19:55)
Als wir vor ein paar Jahren in Norwegen waren, wurde es auch nicht richtig dunkel! Zum Glück gab es in fast jedem Hotel weiter oben im Norden wirklich blickdichte Vorhänge, so war doch an Schlaf zu denken! Aber faszinierend ist das schon oder! Da "liegt" die Erde ein bisschen schräg und schon kommen so tolle Phänomene zustande! Aber ein halbes Jahr Polarnacht möchte ich nicht erleben!
Liebe Grüße
Jana
Vici (Freitag, 29 Juli 2022 01:50)
Irgendwie klingt die Mitternachtssonne wirklich cool. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass man große Probleme mit dem Einschlafen hat...
Bin mir nicht sicher ob ich es gerne selbst erleben würde. Mein Schlafverhalten ist jetzt schon nicht das Beste...
LG,
Vici
Melissawxc (Freitag, 29 Juli 2022 11:12)
Das klingt so spannend, tolle Bilder. Die Mitternachtssonne ist sicherlich sehr gewöhnungsbedürftig und der Körper gewöhnt sich wohl eher weniger daran. Auf jeden Fall mal ein außergewöhnliches Reiseziel :)
Lg Melissa
Auszeitgeniesser (Freitag, 29 Juli 2022 15:14)
Liebe Miriam,
noch kenne ich es nicht, wenn es dauerhaft hell ist, doch ich stelle es mir sehr interessant vor. Zumindest sehr gewöhnungsbedürftig im Bezug auf die innere Uhr.
Da ich es aber sehr mag, wenn die Sonne ganz früh auf und sehr spät untergeht, gleichzeitig es mir nichts ausmacht im hellen zu schlafen, denke ich es ist eine schöne Erfahrung.
Ich würde es in jedem Fall gerne mal testen.
Liebe Grüße, Katja